Im Taumel der Herzen - Roman
einander umzubringen.
13
W as ist denn da unten passiert?«, fragte Ohr, noch ehe er ihr gemeinsames Zimmer richtig betreten hatte. »Als Gabby und ich vorhin an den Tisch zurückkehrten, mussten wir feststellen, dass du und die junge Dame bereits verschwunden wart. Nachdem Gabby mich einem strengen Verhör unterzogen hatte, war sie immer noch höchst empört und schnaubte nur, ihr beide hättet euch wohl ein noch ungestörteres Plätzchen gesucht. Dann ist sie ohne ein weiteres Wort abgerauscht – wofür ich sehr dankbar war.«
»Das mit dem Verhör tut mir leid.«
Ohr zuckte mit den Achseln. »Da ich mehr oder weniger damit beauftragt war, dich aus allen Schwierigkeiten herauszuhalten, hatte ich es wohl verdient. Wobei ich mir absichtlich Zeit gelassen habe, in Ruhe fertig zu essen, um dir ein bisschen Vorsprung zu geben – nur für den Fall, dass du die Dame tatsächlich dazu überreden konntest, mit dir hier heraufzukommen. «
»Solltest du das tatsächlich in Betracht gezogen haben, warst du völlig auf dem Holzweg.«
Erst jetzt bemerkte Ohr, dass Richard gerade damit beschäftig war, Kleidungsstücke in seine Reisetasche zu stopfen. »Hat Gabby dir eine Nachricht geschickt, dass wir wegen dieser Sache frühzeitig aufbrechen?«
»Nein, aber ich breche trotzdem auf.« Richard sagte das,
ohne seinen Kopf zu heben. Seit der Szene mit Julia empfand er ein ähnliches Gefühl von Panik wie neun Jahre zuvor, als er auf das Schiff wartete, das ihn aus England fortbringen sollte. Damals hatte er befürchtet, die Lakaien seines Vaters würden ihn finden und wieder nach Willow Woods schleppen, zurück in sein Elternhaus, das außerhalb von Manchester in Lancashire lag – seine persönliche Hölle.
In jener Nacht war seine Angst durchaus berechtigt gewesen, denn er wusste, dass die Suche nach ihm bereits begonnen hatte. Jetzt blieb ihm etwas mehr Spielraum. Falls sein Vater nicht gerade zufällig in London weilte – was er für höchst unwahrscheinlich hielt, da der alte Herr sich selten so weit von zu Hause entfernte –, dauerte es bestimmt ein, zwei Tage, bis ihn die Kunde von der Rückkehr seines Sohnes erreichte. Wobei die genaue Zeitdauer davon abhing, auf welche Weise der betreffende Bote reiste. Richard konnte sich nicht vorstellen, dass Julia darauf verzichten würde, seinem Vater eine solche Nachricht zukommen zu lassen. Doch indem er, Richard, umgehend aus diesem Hotel verschwand, konnte er zumindest dafür sorgen, dass die Situation nicht außer Kontrolle geriet.
»Lass mich raten«, sagte Ohr als Nächstes. »Statt sich mit dir in den Kissen zu wälzen, wollte die junge Dame einen Ring.«
»Genau.«
»Das war doch nur ein Scherz. Du bist noch gar nicht lange genug hier, um eine Frau so weit zu haben, dass sie auf einer Heirat besteht.«
»Der Faktor Zeit ist völlig unwichtig, wenn die betreffende Frau schon seit ihrer Geburt mit dir verlobt ist.«
»Ganz im Gegenteil, denn dadurch bekäme der Faktor Zeit umso mehr Gewicht«, widersprach Ohr. »Das Ganze klingt mehr nach einer arrangierten Ehe aus meiner Kultur, nicht aus deiner.«
»Meine Leute sind zur Hälfte auch deine – oder zumindest
die Amerikaner. Trotzdem ist es archaisch, egal, von welcher Seite man es betrachtet – und ich bin bestimmt nicht vor all den Jahren aus dieser schrecklichen Situation geflohen, um mich jetzt wieder davon einholen zu lassen. Verdammt, ich hätte schwören können, diese Furie wäre längst mit einem anderen verheiratet, den sie meinetwegen bis in alle Ewigkeit quälen könnte!«
»Warum hast du sie nicht geheiratet, obwohl es doch eigentlich deine Pflicht gewesen wäre?«, fragte Ohr vorsichtig.
»Meine Pflicht? Nur weil mein Vater einen Vertrag unterschrieben und damit mein Leben verkauft hatte? Wohl kaum!«
»Trotzdem …«
»Nein, bei Gott, versuche jetzt nicht, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, weil ich damals das Wort meines Vaters nicht respektiert habe – das Wort eines Tyrannen, der sich einbildet, mein Leben für mich leben zu können! Außerdem lässt sich die Sache beim besten Willen nicht beschönigen, Ohr: Das Mädchen und ich hassen einander. Hätte ich aus freien Stücken um ihre Hand angehalten, würde ich mich vielleicht wirklich verpflichtet fühlen, aber das habe ich nicht getan. Ich wollte nie etwas von ihr oder ihrem gottverdammten Vermögen, nach dem mein Vater so lechzt.«
»Allmählich beginne ich … zu verstehen.«
Richard ließ seine Tasche zuschnappen, ehe er mit
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