Im Taumel der Herzen - Roman
bist du ein Narr, so ein Risiko einzugehen, indem du dich hier blicken lässt. Du hättest lieber jemanden herschicken und Charles nach London bringen lassen sollen!«
Dass sie ihn als Narren bezeichnete, schien ihn nur noch wütender zu machen – wahrscheinlich, weil er wusste, dass sie recht hatte. Die Art, wie er die Lippen zusammenpresste und Julia mit seinen grünen Augen böse anfunkelte, ließ daran keinen Zweifel. Bei seinem Anblick kam sie zu dem Schluss, dass sie ihrerseits gut daran tat, nicht allzu lange dieses verflixt schöne Gesicht zu betrachten. Es brachte ihre Gedanken durcheinander und ließ sie Dinge sagen, die besser ungesagt blieben. Ihr war seit jeher klar gewesen, dass er sich zu einem
attraktiven Mann entwickeln würde. Das hatte man ihm schon als Junge angesehen. Sie hatte nur nicht damit gerechnet, dass sie ihn derart attraktiv finden würde – selbst mit ramponiertem Gesicht. Dass sein gutes Aussehen überhaupt eine Wirkung auf sie hatte, obwohl sie ihn doch so sehr hasste, war wirklich verrückt!
Zweifellos hatten die Küsse, die sie mit ihm ausgetauscht hatte, größeren Eindruck auf sie gemacht, als ihr zunächst klar gewesen war. Nun, da sie ihn wiedersah, musste sie daran denken, als wie erregend sie diese Küsse empfunden hatte. Aber sie hatte Jean Paul geküsst, einen ganz anderen Mann – zumindest war sie dieser Meinung gewesen –, und nicht ihren verhassten Verlobten. Das musste sie sich immer wieder ins Gedächtnis rufen.
Um nicht Gefahr zu laufen, weiter sein Gesicht anzustarren, richtete Julia ihre Aufmerksamkeit auf seine Kleidung. Alles, was er trug, war zwar sauber, aber wohl kaum der geeignete Aufzug für einen Gentleman. Sie konnte nicht anders, als ihn darauf hinzuweisen. »Nennst du das eine gute Verkleidung?«
»Ich nenne das bequem. Außerdem geht es dich verdammt noch mal nichts an, was ich anhabe. Hör zu, Jewels, ich sage es dir jetzt zum letzten Mal: Verschwinde endlich!«
Dabei klang seine Stimme so ruhig, dass es ihr leichtfiel, seine Worte zu ignorieren. »Wir sind immer noch durch jenen Vertrag gebunden«, warnte sie ihn. »Dein Vater hält ihn nach wie vor in Händen. Obwohl ihm dafür die gesamte Mitgift angeboten wurde, hat er sich geweigert, ihn herauszugeben.«
»Ich weiß. Er ist nicht nur ein Tyrann, sondern darüber hinaus auch noch gierig. Er will alles haben.«
»Können wir uns auf eine Lösung einigen?« Sofort verengten sich seine Augen, sodass sie rasch hinzufügte: »Deine Abwesenheit hat daran nichts geändert. Trotz der Tatsache, dass inzwischen neun Jahre vergangen sind, besteht er noch immer
auf dem Recht, welches dieser Vertrag ihm verleiht: uns trauen zu lassen, sobald du wieder auftauchst.«
»Das wird nicht passieren. Ich bin nicht an einen Fetzen Papier gebunden, den ich nicht einmal selbst unterschrieben habe, und ich bin auch kein kleiner Junge mehr, der sich gegen einen Tyrannen nicht zur Wehr setzen kann. Der Vertrag hat für mich keinerlei Bedeutung mehr.«
Auch wenn das kühne Worte waren, sah sie in seinen Augen, dass er selbst nicht so recht daran glaubte. Zumindest war er sich nicht sicher. Sie schon.
»Es handelt sich nicht um einen normalen Vertrag, den wir hätten anfechten können, als wir volljährig wurden. Nein, dieser Vertrag wurde zwischen zwei Familien geschlossen, deiner und meiner, die sich in gegenseitigem Einvernehmen durch eine Heirat zusammentun wollten. Für die Gerichte ist so etwas genauso bindend, als hätten du und ich es unterschrieben. Auch ein Priester wird es als bindend betrachten und nicht einmal unser Jawort brauchen, um uns zu Mann und Frau zu erklären. Tu nicht so, als wüsstest du das nicht! Genau deswegen bist du doch untergetaucht, bevor es dazu kommen konnte.«
»Bilde dir nicht so viel ein, Jewels. Du warst nicht der einzige Grund, warum ich gegangen bin.«
Wollte er sie schon wieder verunglimpfen? Wann tat er das eigentlich nicht? Sie musste die Zähne zusammenbeißen, um ruhig fortfahren zu können: »Aber ich bin gerade dabei, den Vertrag von ihm einzuklagen. Was mir jedoch nur gelingen wird, wenn vorerst niemand in diesem Land erfährt, dass du noch am Leben bist.«
Er lachte. »Willst du mich für tot erklären lassen?«
Nun wurde sie sogar ein bisschen rot. »Ja, aber für dich wird das keine negativen Auswirkungen haben. Sobald ich es geschafft habe, den Vertrag vernichten zu lassen, kannst du sozusagen
von den Toten auferstehen. Dann kannst du sogar nach Hause
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