Im Taumel der Herzen - Roman
unserer Familie, sondern auch den gesellschaftlichen und finanziellen Einfluss von uns allen entscheidend verbessern würde. Ich spreche dabei nicht nur von mir und dir, sondern auch von deinem Bruder und deinem Neffen. «
»Die beiden sind eng mit dem Herzog von Chelter verwandt.
Sie haben es nicht nötig, ihre Stellung oder ihr Ansehen zu verbessern.«
»Chelter ist längst nicht mehr so vermögend, wie er einmal war.«
»Trotzdem ist er noch reich.«
»Nicht annähernd so reich wie die Millers!«, rief Milton. Dann stieß er einen lauten Seufzer aus und versuchte sich wieder ein wenig zu fassen, ehe er hinzufügte: »Außerdem hat der Herzog uns immer das Gefühl gegeben, arme Verwandte zu sein.«
Richard zog eine Braue hoch. » Uns ? Doch wohl eher dir , oder?«
Milton biss die Zähne zusammen. »Hörst du mir überhaupt zu? Gerade habe ich dir erklärt, was hier auf dem Spiel steht. Das Unternehmen der Millers ist im Lauf der Jahre ungeheuer gewachsen. Ist dir bewusst, dass ein derartiger Reichtum sogar Einfluss auf den König haben kann? Das könnte ohne Weiteres neue Titel für unsere Familie bedeuten und darüber hinaus auch mehr Land.«
»Es gibt bei dieser Sache kein Unser , Vater. Du musst ja keine Teufelin heiraten, die du nicht ausstehen kannst.«
»Genau das habe ich getan«, knurrte Milton, »als ich damals deine Mutter heiratete.«
Ungläubig starrte Richard ihn an. »Hast du es deswegen nie fertiggebracht, mir mit Liebe, Zuneigung oder auch nur Freundlichkeit zu begegnen, als ich noch ein Junge war? Weil du deine Frau gehasst hast? Und dasselbe willst du mir aufzwingen? Eine Ehe, die genauso schrecklich wäre wie deine? Warum hast du nie etwas davon erwähnt?«
»Du warst ein Kind«, antwortete Milton steif, »Kinder brauchen keine Erklärungen.«
»Dieses Kind schon. Ab dem Tag meiner Geburt hast du darauf bestanden, mein Leben für mich zu leben. Aber es ist
mein Leben, Vater! Ich werde es leben und meine eigenen Entscheidungen treffen, egal, ob sie gut oder schlecht für mich sind. Und ich habe mich entschieden, Julia Miller nicht zu heiraten!«
Mittlerweile war Milton vor Wut rot angelaufen, wodurch er auf Richard gleich viel vertrauter wirkte. »Ich hätte wissen müssen, dass man mit dir nicht vernünftig reden kann. Du bist noch genauso ungeheuerlich eigensinnig und närrisch, wie du immer warst.« Dann rief er: »Abel!« Noch ehe die Tür ganz aufgeschwungen war, befahl Milton dem Richter: »Schaffen Sie ihn fort!«
23
D as letzte Bild von Richard ging Julia nicht mehr aus dem Kopf. Sie bekam kaum mit, wie Raymond ihre Pferde gleich im nächsten Ort zu einem Gasthaus lotste. Dabei hätten sie durchaus weiterreiten können, denn es war noch nicht dunkel. Aber Julia war genauso erschöpft wie ihr Cousin, sodass sie am nächsten Morgen beide verschliefen.
Julia musste mehrmals an Raymonds Tür klopfen, bis sie ihn schließlich rufen hörte: »Ich rühre mich nicht von der Stelle! Wir reiten morgen!«
»Heute!«, rief sie zurück.
Grundsätzlich liebte sie ihren Cousin, aber bei solchen Gelegenheiten mochte sie ihn nicht ganz so gern. Raymond war ein richtiger Faulpelz. Er taugte höchstens als Begleiter, wenn Julia einen brauchte, und auch das nur, wenn sie ihn frühzeitig informierte. Außerdem war er immer pleite. Obwohl sie ihm monatlich eine recht ansehnliche Summe zahlte, verprasste er alles beim Glücksspiel und für Frauen. Julia hatte unzählige Male mit ihm darüber gesprochen, dass er doch ein paar Pflichten übernehmen sollte, um sich zumindest einen Teil des Geldes zu verdienen, doch er verfügte über einen nie versiegenden Strom von Ausreden, mit denen er sich vor jeder Art von Arbeit drückte. Wenigstens war er ein guter Reiter und daher in der Lage gewesen, auf dieser Reise mit ihrem Tempo mitzuhalten, auch wenn er sich die ganze Zeit beschwert hatte.
Ihre Verärgerung darüber, dass sie nicht zeitig aufgebrochen waren, wurde Julia an diesem Tag ebenso wenig los wie das lästige Bild von Richard. Es war, als würde sie davor weglaufen. Doch die Erinnerung holte sie immer wieder ein. Sie musste an sein langes Haar denken. Obwohl derart langes Haar schon seit Jahrhunderten nicht mehr der Mode entsprach, lenkte es nicht im Geringsten von seiner Männlichkeit ab. Es verlieh ihm lediglich ein wildes, ursprüngliches Aussehen, vor allem, wenn er vor Wut keuchte. Er war so wütend gewesen! Weil er sie geküsst hatte – nein, Moment, die Schuld daran hatte er ja ihr
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