Im Taumel der Sehnsucht
halte dich nicht für eine Aufschneiderin. Es besteht kein Grund, warum du dein Talent herunterspielen müßtest.« Er setzte sich in einen der Sessel und bedeutete ihr, sich in dem anderen niederzulassen. »Wie kommt es eigentlich, daß Henry Charity erlaubt hat, die weite Reise mit dir zu unternehmen? Ich freue mich sehr darüber, versteh mich nicht falsch, aber es überrascht mich doch ein bißchen.«
Und so erzählte Caroline ihrem Vater von Paul Bleachley, der romantischen Liebesgeschichte und dem plötzlichen Verschwinden des Mannes. »Hast du schon von einem Mann dieses Namens gehört, Vater?«
»Nein«, erwiderte Richmond. »Aber das heißt nichts, wenn man in Betracht zieht, daß ich seit einer Ewigkeit kaum noch Kontakt mit der Gesellschaft habe.«
»Vater, dein Diener Deighton hat uns aber erzählt, daß du zur Saison zurückgekommen bist. Hattest du denn vor, dieses Jahr wieder auf Bälle zu gehen?«
»Nein«, erwiderte ihr Vater. »Ich komme jedes Jahr zu dieser Zeit nach London zurück. Mein Landhaus ist zu zugig, um den Winter dort zu verbringen. Und Deighton, stur wie er ist, beharrt jedes Jahr darauf, früher herzukommen und dafür zu sorgen, daß im Stadthaus alles in Ordnung ist. Damit ich keine Ausrede habe, doch auf dem Land zu bleiben.« Er lächelte sie zärtlich an. »Jetzt bin ich allerdings froh darüber. Mit meiner wunderschönen Tochter an meiner Seite werde ich mich nur allzu gerne wieder in der Öffentlichkeit zeigen.« Ihr Vater lachte mit echtem Vergnügen. »Du wirst einen ziemlich Aufruhr verursachen, Caroline.«
»Wegen des Marquis?« fragte sie.
»Nein. Sondern weil du so ein entzückendes Ding bist«, erwiderte ihr Vater. »Natürlich wird der Marquis sich freuen, seine Nichte wieder in der Stadt zu haben, aber ich denke da eher an die jungen Burschen und wie sie auf dich reagieren werden. Ich bin wirklich gespannt. Deine Mutter wäre stolz auf dich.«
»Wie hast du sie eigentlich kennengelernt, Vater? Ich kann mich überhaupt nicht an sie erinnern, und das tut mir sehr leid. Tante Mary hat mir erzählt, daß sie ein sehr sanftmütiges Wesen war.«
Der Earl of Braxton blickte abwesend in die Ferne und lächelte zärtlich. »Ja, sie war sanftmütig und liebevoll, Caroline.« Er nahm Carolines Hand und begann ihr zu erzählen, wie er seine spätere Frau kennen- und liebengelernt hatte.
»Sie hat sich so über dich gefreut, Caroline. Ich wollte einen Jungen und hatte mir nicht einmal Namen für ein Mädchen überlegt. Als du zur Welt kamst lachte deine Mutter vor Glück, bis ihr die Tränen die Wangen herabliefen. O ja, sie hat sich sehr gefreut.«
»Und du? Warst du enttäuscht?« fragte Caroline lächelnd. Sie wußte, daß dem nicht so war, denn ansonsten hätte er ihr die Geschichte nicht so erzählt, doch sie wollte, daß er es ihr sagte.
»Ich war genauso glücklich wie deine Mutter«, gestand ihr Vater. Er drückte ihre Hand und kramte in seiner Tasche nach einem Taschentuch, mit dem er sich die Augenwinkel abtupfte. Anschließend räusperte er sich und sagte fast schroff: »Also dann. Wir müssen dafür sorgen, daß du und Charity sobald wie möglich mit einem neuen Kleid ausgestattet werdet. Der jährliche Ball des Duke of Ashton findet in nur zwei Wochen statt, und dort werden wir zum ersten Mal auftreten. Der alte Windhund schickt mir jedes Jahr aufs neue eine Einladung. Gott, er wird schockiert sein, wenn ich annehme.« Ihr Vater kicherte, während er sich das verblüffte Gesicht des Dukes vorstellte, wenn er mit seiner schönen Tochter am Arm in den Ballsaal treten würde.
Caroline beobachtete ihren Vater, während er ihr von all den gesellschaftlichen Ereignissen, an denen sie teilnehmen würden, erzählte, und lächelte über seine wachsende Erregung. Es hätte sie nicht überrascht, wenn er sich die Hände vor lauter Vorfreude gerieben hätte. Seine Augen, die nun schelmisch funkelten, erinnerten sie an ihren Vetter Luke. Im Augenblick kam er ihr vor wie ein kleiner Junge, dem ein spannendes Abenteuer bevorstand. Am liebsten hätte sie ihn gewarnt, nicht zuviel zu erwarten, wollte seine Begeisterung aber nicht dämpfen. Sie schwor sich, alles zu tun, was in ihrer Macht stand, um ihn nicht zu enttäuschen. Mit Gottes Wille würde sie es hinter sich bringen. Vielleicht gelang es ihr sogar in den verbleibenden zwei Wochen, zu lernen, wie man sich korrekt benahm. Das war in der Tat eine Herausforderung, und Caroline beschloß, ihr Bestes zu geben.
Die
Weitere Kostenlose Bücher