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Im Taumel der Sehnsucht

Im Taumel der Sehnsucht

Titel: Im Taumel der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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Kleid an und faßte ihr widerspenstiges schweres Haar mit einem Band im Nacken zusammen.
    Charity schlief noch, und aus den schlurfenden Geräuschen, die vom Stockwerk über ihr zu ihr herabdrangen, schloß sie, daß Benjamin gerade aufstand. Caroline ging hinunter, um im Speisezimmer auf ihren Vater zu warten. Als sie jedoch die Tür erreichte, sah sie, daß er bereits an einem Ende des langen Tisches saß. In einer Hand hielt er eine Teetasse, in der anderen eine Zeitung, in der er konzentriert las. Er hatte sie nicht bemerkt, und Caroline tat nichts, um seine Aufmerksamkeit zu wecken. Sie blieb stehen und nahm sich Zeit, ihn intensiv zu betrachten. Sein Gesicht war gerötet und voll, aber er hatte dieselben hohen Wangenknochen wie sie. Wenn er auch etwas fülliger war, so sah er doch seinem jüngeren Bruder Henry sehr ähnlich, und Caroline verspürte eine seltsame Erleichterung darüber. Das vertraute Aussehen machte es ihr leichter, zu akzeptieren, daß sie zwei Väter hatte: Ihr Onkel Henry hatte sie erzogen und sie geliebt, und dieser Mann dort hatte sie gezeugt - er war es, von dem sie abstammte. Einmal mehr sagte sie sich, daß es ihre Pflicht war, ihm Liebe entgegenzubringen.
    Der Earl spürte schließlich, daß jemand ihn beobachtete, und schaute auf. Er hatte gerade seine Tasse an die Lippen heben wollen, erstarrte nun aber mitten in der Bewegung. Seine Miene drückte Überraschung aus, und Caroline lächelte in der Hoffnung, daß er vor allem ihre Zuneigung spürte und nicht, wie unbehaglich sie sich im Augenblick fühlte.
    »Guten Morgen, Vater. Hast du gut geschlafen?«
    Ihre Stimme bebte. Gott, nun, da sie ihm endlich gegenüberstand, war sie entsetzlich nervös.
    Er setzte die Tasse mit einem Klirren ab. Der Tee schwappte über, aber er bemerkte es gar nicht. Er wollte sich erheben, schien seine Absicht aber zu ändern und ließ sich auf den Stuhl zurückfallen. Tränen traten in seine Augen, und er wischte sie mit einem Zipfel seiner Leinenserviette ab.
    Er war genauso nervös und unsicher wie sie! Diese Erkenntnis half Caroline. Ihr Vater wirkte wie betäubt und schien nicht zu wissen, wie er sich verhalten sollte. Sie beobachtete, wie die Zeitung aus seiner Hand rutschte und langsam zu Boden segelte und begriff, daß es an ihr war, den ersten Schritt zu tun.
    Mit einem ängstlichen Lächeln ging sie auf ihn zu. Sie blieb vor ihm stehen, und bevor sie es sich anders überlegen konnte, beugte sie sich zu ihm hinab und küßte ihn auf die Wange.
    Ihre Liebkosung riß ihn aus seinem Trancezustand. Er sprang so abrupt auf, daß der Stuhl hintenüber fiel und zu Boden polterte. Dann packte er Caroline an den Schultern und zog sie fest an seine Brust.
    »Du bist nicht enttäuscht?« flüsterte Caroline. »Sehe ich so aus, wie du dich mir vorgestellt hast?«
    »Ich könnte niemals enttäuscht sein. Wie kannst du so etwas nur denken? Ich war einfach einen Augenblick wie vom Donner gerührt«, erklärte er ihr und drückte sie noch einmal. »Du bist das Ebenbild deiner Mutter, möge sie in Frieden ruhen. Kein Mann könnte stolzer auf seine Tochter sein!«
    »Ich sehe ihr wirklich ähnlich?« fragte Caroline, als seine Umarmung sich ein wenig lockerte und sie wieder atmen konnte.
    »O ja. Laß mich dich noch einmal anschauen.«
    Caroline trat einen Schritt zurück und drehte sich mit abgespreizten Armen, damit er sie betrachten konnte. »Du bist eine wahre Schönheit«, sagte er heiser. Dann runzelte er die Stirn. »Setz dich«, befahl er. »Ich will nicht, daß dir schwindelig wird und du dich vielleicht übergeben mußt! Du darfst dich auf keinen Fall überanstrengen.«
    Es war nicht sein Befehl, sondern das schlechte Gewissen, das Caroline dazu veranlaßte, sich auf einen Stuhl fallen zu lassen. »Vater, es gibt da etwas, das ich dir sagen muß. Es fällt mir nicht leicht, aber ich finde, wir sollten ehrlich miteinander umgehen. Ich habe die Bilder, die ich als Kind gemalt habe, an deiner Wand gesehen, und deswegen denke ich -« Als sie seinen erwartungsvollen Blick sah, brach sie ab, ließ die Schultern sinken und seufzte.
    »Willst du mir sagen, daß du gesund wie ein Ackergaul bist?« fragte ihr Vater mit einem lustigen Blitzen in den Augen.
    Carolines Kopf fuhr hoch, und sie sah ihn erstaunt an. »Ja«, gab sie schließlich zu. »Ich glaube, ich bin noch keinen Tag in meinem Leben krank gewesen. Es tut mir leid, Vater.«
    Ihr Vater lachte mit ehrlichem Vergnügen. »Was tut dir leid? Daß du nicht

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