Im Taumel der Sehnsucht
zusammen zu reisen, bevor wir Mann und Frau sind.«
Caroline sah ihre Cousine verwirrt an. »Aber ihr werdet doch sicher hier leben. Paul ist hier zu Hause. Du willst nur nach Boston, um die Familie zu besuchen, nicht wahr?«
Charity beobachtete Deighton, der vor der Eingangstür auf und ab lief, so daß ihr Carolines entgeisterte Miene entging. »Paul möchte ganz neu anfangen. Er besitzt ja keinen Titel, also muß er auch nichts Wichtiges hier aufgeben. Aber er ist auch nicht arm und hat sehr große Pläne. Papa wird ihm helfen, sich in Boston zu etablieren.«
»Ja, natürlich«, sagte Caroline. »Und was hat er vor?« Sie versuchte, sich den Anschein zu geben, interessiert zu sein, aber die Traurigkeit, die sie plötzlich übermannte, machte es schwierig. Sie war noch nicht soweit, auf Charity verzichten zu können. Ihre Cousine war die letzte Verbindung zu ihrer Familie in Boston.
»Er hat schon einige ausführliche Gespräche mit Benjamin geführt«, antwortete Charity. »Paul will Land kaufen und ein Gentleman-Farmer werden. Benjamin hat gesagt, er würde ihm gerne helfen.«
»Gentleman-Farmer? Charity, so etwas gibt es nicht.« Caroline schnaubte verächtlich. »Nicht in den Kolonien.
Wenn du Land bebauen willst, mußt du viel und hart arbeiten, so sieht es aus. Und das jeden Tag, das ganze Jahr lang.«
»Paul ist dennoch entschlossen«, erwiderte Charity. »Seine Hand heilt, er kann sie langsam wieder einsetzen, und du weißt, daß meine Brüder ihn unterstützen werden, wo immer sie können.«
»Ja.« Caroline seufzte. Sie hatte keinesfalls überhört, daß Charity gesagt hatte, Benjamin würde ihnen helfen. Sie, Caroline, hatte kein Recht zu erwarten, daß Benjamin bei ihr in England bleiben würde. Nur. . . warum fühlte sie sich auf einmal so im Stich gelassen? Die Glocke ertönte und signalisierte, daß der erste Gast angekommen war, und Caroline zwang sich zu einem Lächeln. Deighton hielt an der Tür inne, drehte sich um und warf Charity und Caroline noch einen letzten prüfenden Blick zu. Dann nickte er, offenbar zufrieden, verwandelte sein Gesicht in eine ausdruckslose Maske und öffnete die Tür. Die Dinner-Party hatte begonnen.
Bradford war einer der letzten, die eintrafen. Sobald sie ihn begrüßt hatte, murrte Caroline über seine späte Ankunft und erkannte im gleichen Moment, daß dies kein guter Anfang für einen perfekten Abend war. Aber seine Reaktion auf ihr Kleid war auch nicht das, was sie sich vorgestellt hatte. Statt ihr zu sagen, wie entzückend sie aussah, schlug er barsch vor, sie solle hinaufgehen und sich fertig ankleiden.
»Ich bin angekleidet«, zischte Caroline empört.
Sie standen am Rand der Eingangshalle, als sich Milford zu ihnen gesellte. Auch er hörte Bradfords Bemerkung. »In meinen Augen sieht sie großartig aus, Brad«, sagte er und bedachte Caroline mit einem beifälligen Blick.
»Das Kleid verhüllt ja praktisch nichts«, urteilte Bradford. »Gehen Sie hinauf und ziehen Sie sich etwas an, das dem Anlaß angemessen ist.«
»Nein, das tue ich nicht«, erwiderte Caroline nachdrücklich.
»Sie sehen unanständig aus«, knurrte Bradford. Milford begann zu kichern, und sowohl Caroline als auch Bradford wandten sich augenblicklich zu ihm um und funkelten ihn wütend an.
Dann wandte sich Caroline wieder Bradford zu. »Ihre Hosen sind genauso unanständig.«
Eine solche Bemerkung hatte er nicht erwartet. »Was ist denn nicht in Ordnung mit meinen Hosen?« wollte er wissen.
»Sie sitzen viel zu eng. Es ist ein Wunder, daß Sie sich damit überhaupt niederlassen können, ohne sich etwas einzuklemmen!« Sie ließ ihren Blick langsam von seiner Hüfte abwärts wandern, wobei sie heimlich seine kräftigen Beine bewunderte. Oh, er war wirklich attraktiv. Und er sah, wie sie zugeben mußte, in seinem formellen Abendanzug auch schrecklich distinguiert aus!
Milford konnte nicht an sich halten; er prustete erneut los. »Darf ich Sie zum Tisch geleiten?« fragte er schließlich, immer noch glucksend, und bot ihr seinen Arm an.
»Mit dem größten Vergnügen.« Caroline legte Milford eine Hand auf den Arm und warf Bradford einen eisigen Blick zu. »Wenn Sie sich daran erinnern, was sich gehört, dann dürfen Sie sich gerne zu uns gesellen.«
Bradford sah ihnen vollkommen verdattert hinterher. Wie war es ihr bloß so mühelos gelungen, ihn in die Defensive zu drängen? Und wußte sie überhaupt nur ansatzweise, wie verführerisch sie in diesem Kleid aussah? Er hatte
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