Im Taumel der Sehnsucht
ihre Lage nachzudenken, strapazierte ihre Nerven bis zum äußersten. Sie würde ihm nicht eher sagen, daß auch sie ihn wollte, bis er ihr mitgeteilt hatte, daß er sie liebte. Und wenn der Duke of Bradford so gerne spielte, nun, dann hatte Caroline auch noch ein paar Kniffe auf Lager.
Charity dagegen hätte nicht glücklicher sein können. Paul Bleachley hatte brav den Earl aufgesucht und machte Charity nun offiziell den Hof. Er hatte sich eine schwarze, glänzende Augenklappe angelegt, die ihm ein verwegenes Aussehen verlieh. Außerdem ließ er sich einen Bart stehen.
Caroline mochte Paul. Er war ein ruhiger Mann mit einem stillen Lächeln, und die Art und Weise, wie er Charity ansah, verriet Caroline, daß er ihre Cousine von ganzem Herzen liebte und schätzte. Warum hatte sie selbst sich nur nicht einen solch freundlichen und umgänglichen Menschen wie Paul ausgesucht? Sie mußte sich eingestehen, daß sie neidisch auf die Beziehung zwischen Charity und dem sanftmütigen Engländer war und wünschte sich mehr als einmal, daß Bradford sie auch so ansehen würde, wie Paul seine Charity. Oh, Bradford sah sie ständig an, doch in seinem Blick lag stets etwas sehr, sehr Körperliches, was überhaupt nichts mit der Wertschätzung ihrer Person zu tun hatte.
Braxton hatte beschlossen, eine Dinner-Party zu geben, und zwanzig Gäste eingeladen. Erwartet wurden unter anderen Carolines Onkels, der Marquis und Franklin, Franklins Frau Loretta, Lady Tillman und ihre Tochter Rachel und - sehr zu Carolines heimlichem Widerwillen - Rachels abscheulicher Verlobter Nigel Crestwall. Milford und Bradford waren ebenso eingeladen wie Paul Bleachley. Aus Rücksicht auf den Marquis, der immer schnell ermüdete, war das Essen recht früh angesetzt worden, und diejenigen, die sich länger auf den Beinen halten konnten, würden danach in die Oper fahren.
Benjamin legte sich gewaltig ins Zeug, um das Essen für die vielen Leute zu kochen. Schon am frühen Nachmittag waren die Tauben gefüllt, der Fisch entgrätet und filetiert, und die Hühnchen brutzelten auf Spießen über der offenen Feuerstelle. Deighton entwickelte sich zu einem wahren Despoten, als er sich um die letzten Vorbereitungen kümmerte, und Caroline und Charity taten ohne zu murren alles, was er befahl. Schließlich wußte er weit besser, was korrekt war und was nicht, und Charity fragte ihn sogar, welches Kleid er wohl für angemessen hielt.
Caroline hatte sich bereits entschieden, das gewagte Elfenbeinfarbene anzuziehen. Es war ausgesprochen tief ausgeschnitten, und, wie sie hoffte, ausgesprochen verführerisch. Sie hatte vor, ganz die personifizierte Verlockung zu spielen, denn es wurde langsam Zeit, in ihrer Beziehung zu Bradford die Oberhand zu gewinnen. Wenn er Spaß daran hatte, sie ständig aus dem Gleichgewicht zu bringen, dann würde sie nun den Spieß umdrehen.
Caroline nahm sich Zeit, sich sorgfältig anzuziehen. Mit jedem Moment, der verstrich, wurde sie nervöser. Sie hatte sich geschworen, daß es ein perfekter Abend werden sollte. Ihr Plan war eigentlich recht simpel. Sie würde Bradford aufreizen, würde ihn bis an den Rand des Wahnsinns treiben und ihn dann zwingen, ihr zu gestehen, was er tief in seinem Herzen empfand.
Charity trat ein, als Caroline sich gerade kritisch im Spiegel musterte, und schnappte hörbar nach Luft. »Bradford wird es die Sprache verschlagen, wenn er dich sieht«, prophezeite sie. »Du siehst aus wie Venus, die Göttin der Liebe.«
»Und du genauso«, erwiderte Caroline mit einem Lächeln.
Charity drehte sich um die eigene Achse, so daß das zitronengelbe Kleid besser zur Geltung kam. »Ich fühle mich wundervoll, Caroline. Das ist die Liebe, weißt du? Sie macht einen ziemlich selbstbewußt und glücklich.«
Caroline konnte dem nicht zustimmen, sparte sich aber eine Bemerkung. Im Augenblick fand sie, daß die Liebe ein einziges Elend war. Sie zupfte an ihrem Mieder, um es wenigstens ein winziges Stückchen weiter hinaufzuziehen, bis Charity sie ermahnte, damit aufzuhören, weil sie es vermutlich sonst zerreißen würde und sich umziehen mußte.
Caroline seufzte, begleitete ihre Cousine nach unten und wartete mit ihr in der Eingangshalle auf die ersten Gäste.
»Paul und ich haben beschlossen, in England zu heiraten«, sagte Charity.
»Ja, nun, natürlich«, erwiderte Caroline. »Wo denn sonst?«
»In Boston«, bemerkte Charity mit einem Stirnrunzeln. »Aber wir wollen nicht mehr warten, und es gehört sich nicht,
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