Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
Vom Netzwerk:
sie.«
    Â»Woher kommen Sie? Aus Assuan?«
    Â»Aus der Gegend zwischen Assuan und Abu Simbel.«
    Â»Und was haben Sie dort gearbeitet?«
    Â»Mal dies, mal das. Später dann hab ich beim Toschka-Projekt 30 mitgearbeitet.«
    Â»Wirklich? Das ist zurzeit das wichtigste nationale Projekt!«
    Â»Unsinn, das ist weder national noch sonst irgendwas, das Projekt ist so gut wie tot.«
    Â»Was meinen Sie mit tot?«
    Â»Wir hatten grosse Hoffnungen darauf gesetzt und fühlten, dass die Welt auch uns endlich mal zulächelt. Aber leider ist es vorbei damit. Ich bin nach Kairo gekommen, weil es dort nichts mehr zu tun gibt. Das ist vorbei.«
    Â»Wenn es stimmt, was Sie sagen, ist das eine Katastrophe.«
    Â»Natürlich stimmt das. Was ich sage, ist hundertprozentig wahr. Für uns Nubier ist das Projekt vorbei. Jedenfalls gibt es für uns dort keine Arbeit mehr. Aber warum nennen Sie das eine Katastrophe? Gott bewahre! Die Erde dreht sich weiter, mal ist man oben, mal unten, das ist noch lange keine Katastrophe!«
    Â»Klar ist das eine Katastrophe. Ägypten hat Milliarden dort reingesteckt.«
    Â»Milliarden? Da hätte man das Geld besser an die Leute verteilt. Wir sind siebzig Millionen, also etwa zehn Millionen Familien. Die hätten jeder Familie tausend Pfund geben können. Wir hätten die Regierung bis zu unserem Lebensende gelobt und besungen! Haben Sie denn nicht gemerkt, dass sogar in den Zeitungen nichts mehr über das Projekt steht? Und das, nachdem früher andauernd und überall von Toschka zu lesen und zu hören war. Jetzt kräht kein Hahn mehr danach.«
    Â»Und seit wann sind Sie in Kairo?«
    Â»Seit drei Monaten. Wir sind zu acht gekommen und haben zusammen für achtzig Pfund im Monat ein Zimmer in Bulâk al-Dakrûr gemietet. Das macht für jeden zehn Pfund. Im Café habe ich den Besitzer dieses Wagens kennengelernt. Ich fahre schon lange und hatte für alle Fälle sogar schon den Taxiführerschein gemacht. Ich musste ein paar Formulare ausfüllen und einen Wohnsitz in Kairo nachweisen. Ich bekomme sein Auto für eine Schicht pro Tag.«
    Â»Wie viel nehmen Sie denn jeden Tag ein?«
    Â»Sechzig Pfund. Der Wagen ist gut, das sehen Sie ja. Ich bin erst mal nur auf Probe angestellt, hoffe aber, dass ich fest arbeiten kann.«
    Â»Wollen Sie in Kairo bleiben?«
    Â»So eine Frage! Warum sollte ich denn dorthin zurückgehen?«

15
    Ich stand vor dem Neuen Ramsîs-College, auf das meine Kinder gehen, in der Achmad-Lutfi-al-Sajjid-Strasse. Sie war verstopft, und eine Menge Busse bliesen mir ihre Abgase ins Gesicht. Ich erstickte fast in dem Smog und fragte mich, warum mein geliebtes Kairo den Lungen meiner Kinder so etwas antat. Ein Taxi näherte sich und stoppte, so als ob der Fahrer froh war, einen Fahrgast zu bekommen. Ich stieg ein, ohne ihm zu sagen, wohin ich wollte.
    Der Fahrer rauchte eine Zigarette und blies mir den Qualm ins Gesicht. Den Anblick der Rauchfahne, die durch die Luft tänzelte und wie eine Giftschlange auf meine Nasenlöcher zusteuerte, fand ich unerträglich. Meine Lunge sendete ein unmissverständliches Signal an mein Gehirn: Es sollte dieses Rauchgeschlängel sofort stoppen. Ich überlegte. Wenn ich ihn höflich bitten würde, Erbarmen mit meiner Lunge zu haben und seine Zigarette auszudrücken, würde er das verächtlich ablehnen. Also beschloss ich, es mit der harten Tour zu versuchen. Er sollte denken, ich wäre Polizist, sich meiner Autorität beugen und die Zigarette fortwerfen.
    Â»Werfen Sie die Zigarette weg!«, sagte ich mit fester Stimme. »Ist der ganze Dreck, den wir einatmen müssen, denn noch nicht genug?«
    Der Fahrer schaute mich prüfend an, um abzuwägen, ob mein Gesicht dem eines Polizisten entsprechen könnte. Dann warf er die Zigarette aus dem Fenster.Ich stellte fest, dass ich glatt als Polizist durchgehen würde.
    Ich mimte weiterhin den harten Mann und befahl ihm: »Fahren Sie nach Agûsa!«
    Â»In Ordnung.«
    Mir war klar, dass ich kein Wort mehr sagen durfte, um mich nicht zu verraten. Dann würde der Fahrer nämlich sofort wieder anfangen zu rauchen. Also schwieg ich.
    Â»Stets zu Ihren Diensten, mein Herr. Darf ich etwas erzählen?«
    Â»Natürlich.«
    Â»Früher habe ich für einen Millionär gearbeitet. Mein Monatslohn betrug siebenhundert Pfund, die ganzen Geschenke, Klamotten,

Weitere Kostenlose Bücher