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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Schlangen. Ein Mann stand dort und rief immerzu: ›Jeder mache sich bereit und wünsche uns einen guten Morgen!‹ Natürlich meinte er mit dem Guten-Morgen-Wünschen bloss, dass jeder ihm ein Almosen geben soll. Ich gab ihm ein Pfund. Endlich konnte ich rein und das Formular ausfüllen. Dann durftenwir zur Ärztin, um unsere Reflexe und unsere Augen untersuchen zu lassen. Dort passierte etwas Merkwürdiges. Der Fahrer vor mir wollte seinen Führerschein erneuern lassen, der vor etwa sechs Jahren abgelaufen war. Er wollte den Sehtest machen und dabei seine Brille tragen, doch die Ärztin lehnte das ab: ›Wenden Sie sich zuerst an das Verkehrsamt. Sie haben Ihren Führerschein seit sechs Jahren nicht erneuert, und auf dem Foto da tragen Sie keine Brille.‹ Der Mann sagte: ›Und wie soll ich dann meinen Lebensunterhalt verdienen?‹ Die Ärztin schlug vor, er solle den Test ohne Brille machen, aber er meinte, dann würde er gar nichts sehen. Darauf sagte sie: ›Erkundigen Sie sich beim Verkehrsamt!‹ Heulend kam der Mann heraus. Ich kam nach ihm dran und war nervös. In meiner zittrigen Hand hielt ich die Brille, die ich mir eine Woche zuvor extra für den Test hatte machen lassen. Der Ärztin sagte ich: ›Auf dem Foto trage ich keine Brille.‹ Sie sagte: ›Kein Problem, setzen Sie ruhig Ihre Brille auf.‹ Und sie hob ihre Stimme, damit es jeder hören konnte: ›Schauen Sie, wir sind schliesslich keine Unmenschen. Sie sind ein gestandener Fahrer, Ihr Führerschein ist noch nicht abgelaufen, und Sie wollen ihn ganz normal erneuern. Kein Problem. In das Zeugnis schreibe ich: ohne Brille.‹ Natürlich war mein Fall genau gleich gelagert wie bei dem Mann vor mir. Aber wie dem auch sei, ich machte den Test mit Brille, und alles ging gut. Die ganze Sache dauerte drei Stunden. Sie sagten mir, ich solle zwei Tage später zum Verkehrsamt gehen.
    Am Donnerstag ging ich dorthin. Die Sonne brannte erbarmungslos, und ich dachte bei mir: Prima, dann wird meine Glatze gegrillt. Als ich endlich drankam, sagte die Beamtin: ›Bezahlen Sie an der Kasse die Gebühr für das Computerfoto.‹ Der Computer funktionierte zwar nicht, aber für das Computerfoto musste ich trotzdem bezahlen. Ich stellte mich wieder hinten in die Schlange, und als ich abermals an der Reihe war, meinte die Beamtin, ich müsse noch Steuermarken besorgen. Also beschaffte ich mir die Steuermarken und stellte mich dann nochmals hinten an. Die ganze Zeit über gab es keinen Sonnenschutz, und zum Schluss hätte man ein Spiegelei auf meiner Glatze braten können. Schliesslich konnte ich der Beamtin alle Papiere übergeben. Sie warf einen Blick darauf und sagte: ›Alles ist in Ordnung. Warten Sie, bis Ihr Name aufgerufen wird. Aber der Computer ist kaputt, deshalb bekommen Sie nur einen provisorischen Führerschein.‹ Ich erwiderte: ›Geben Sie mir einfach irgendwas, und wenn es auf Klopapier geschrieben ist. Hauptsache, ich kann damit fahren und es vorzeigen, wenn es jemand verlangt.‹
    Ich wartete bestimmt zwei Stunden, dass jemand meinen Namen aufrief. Nichts. Es war schon fast zwei Uhr, und die Angestellten machten sich bereit für den Feierabend. Wir waren nur zwei, die noch nicht aufgerufen worden waren. Der andere Fahrer hiess Nâdir, ein rundlicher, sympathischer Bursche. Wir gingen zum Schalter, um nachzufragen, doch zu unserer Überraschung fanden sie unsere Akten nichtmehr. Nâdir schob der Beamtin ein Bakschisch rüber und sagte: ›Stellen Sie uns einfach eine neue Akte aus. Tun Sie, was Sie können.‹ Sie nahm das Geld, stellte zwei Dokumente aus und sagte: ›Hier ist Ihr Führerschein für drei Monate. Wenn wir Ihre Akten nicht finden, müssen Sie uns Kopien von all Ihren Papieren, der Geburtsurkunde und so weiter bringen.‹ Ich nahm den Drei-Monats-Führerschein und sagte aus Dankbarkeit die Elefantensure auf. Ich konnte es kaum fassen.
    Wenn ich wach liege, murmle ich vor mich hin: Werden sie die Akte finden? Wird der Computer repariert werden? Werde ich einen neuen Führerschein bekommen? Es ist ein Albtraum, der nie endet. Verstehen Sie, warum man uns das antut?«

58
    Es war Ramadan, kurz vor dem Kanonenschuss, der den Zeitpunkt des Fastenbrechens signalisierte. Ich hatte ein grosses Gemälde bei mir und wartete darauf, dass endlich ein Taxi auftauchte, notfalls vom Himmel. Die

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