Im Tempel des Regengottes
Göttern zur Seite gestellt wurden.«
Er hatte immer rascher gesprochen, als müsse er seinen eigenen Zweifeln zuvorkommen. Nun spürte er, wie zwei Augenpaare mit seltsamem Glanz zu ihm emporsahen, Mabos schwarze und Miriams funkelnd grüne Augen, voller Bewunderung, wie ihm schien.
Der Mestize hatte währenddessen schon begonnen, seine Worte zu übersetzen, und Robert, der sich nun wieder zu Ja'much umwandte, bemerkte die Bestürzung des alten Priesters. Ja'much glotzte ihn an, mit flackerndem Blick unter verstrüppten Brauen, in seiner Miene malte sich Angst, wie auch in den Gesichtern seiner jungen Begleiter, die ihn im Halbkreis umstanden. Aber sie fürchten sicher nicht mich, dachte Robert, sondern die Rache der übernatürlichen Gewalten, für den Fall, daß die Befehle ihrer Götter mißachtet würden.
Einen langen Moment glotzte Ja'much ihn noch auf die gleiche Weise an, dann endlich machte er eine schroffe Kopfbewegung zum Verlies hin. Sogleich sprangen zwei seiner jungen Priester vor, hoben das Gatter an und senkten es wie eine Leiter in das Erdloch hinab.
»Kommt heraus«, sagte Robert, »rasch und ohne ein Wort.« Als erste kam Miriam die schwankende Leiter hoch, mit verschmutztem Gesicht, Spinnweb im Haar, aber mit königlichen Gebärden, als schreite sie die Freitreppe vor einem Palast empor, und mit einem strahlenden Lächeln für Robert. Verwirrt senkte er den Blick und trat zur Seite, damit Stephen aus dem Verlies klettern konnte, in seinen Armen Paul, der ohne Bewußtsein war, die Augen hervorgequollen, sein Leib ein Klumpen, so unförmig aufgetrieben, daß er seine überweite Tunika beinahe sprengte.
3
Paul lag am Rand des Seerosenteichs, von Palmen beschattet, im Ufergras. Sie hatten sein Gewand aufgeschnitten und ihn darauf gebettet, und sein Leib, der aus der Tunika förmlich herausgeborsten war, sah grauenvoll aus. Wie ein durchscheinender Sack, dachte Robert, zum Platzen vollgestopft mit einer grauschwarzen Substanz, die sich in ihm zu vermehren und immer weiter aufzuquellen schien. Paul war ohne Bewußtsein, doch er keuchte, als ob ihm die Luft abgeschnürt würde. Auch sein Gesicht begann sich schon bläulich zu verfärben, und seine Augen waren so weit aus ihren Höhlen getreten, daß er beinahe wie ein Frosch aussah.
An seiner linken Seite kauerte Stephen im Gras, ein silbernes Federmesser in der Hand und unablässig murmelnd. Mabo war, kaum aus dem Verlies befreit, über die halbe Lichtung gerannt, zum Waldrand, wo ihre Pferde Schutz vor der Sonne gesucht hatten. Mit einem hölzernen Kasten war er zurückgekehrt, Stephen hatte den Deckel aufgerissen, das Messer, Verband, einige Tinkturen hervorgeholt, doch jetzt fehlte es ihm offenbar an der nötigen Kraft oder Zuversicht, um den rettenden Schnitt zu führen. Er mußte einen Abfluß schaffen, dachte Robert, auf der Stelle, damit die schwarzgraue Substanz herausströmen konnte, ehe sie Pauls Leib ganz einfach zerrissen oder gänzlich mit ihrem tödlichen Gift überflutet hatte. Aber Stephen fuhr nur mit bebenden Fingern, die kaum das Messer zu halten vermochten, in der Luft über Pauls grotesk aufgetriebenem Leib umher, als betaste er seine magnetische Aura, und wagte anscheinend nicht, die Klinge anzusetzen. Paul röchelte und wand sich, und seine Haut, der formlose graue Rumpf, sah beinahe aus, als ob er bei lebendigem Leib verfaulte.
Die Priester Cha'acs standen unterdessen einige Schritte abseits und schauten zu den weißen Männern hinüber. Robert, der zu Pauls rechter Seite im Gras kniete, mit dem Rücken zum See, konnte ihre unbewegten Mienen sehen und Ja'muchs wachsamen Blick. Auch Ajkechtiim war zu ihnen getreten, ehrerbietig sah er von einem zum andern. Er war einer der Ihren, sagte sich Robert, wenngleich nur ein kleiner Krieger aus dem unbedeutenden Flecken Chul Ja' Mukal.
»Hier irgendwo«, hörte er Stephen murmeln, »muß der Dorn gewesen sein. Aber wie soll man da was finden... Paul, Paul... was soll ich nur machen... verdammte Schweinerei!«
Mit einem Finger nur berührte er den prallen Leib, und im selben Moment schrie Paul gellend auf, als ob ihm das Messer schon in den Gedärmen steckte. Sein Schreien ging in keuche ndes Stöhnen über, so qualvoll, daß es Robert das Herz zusammenkrampfte. Voller Bestürzung sah er, wie das Messer aus Stephens großer, gelb bepelzter Hand fiel und neben Paul im Gras landete. Stephen weinte, lautlos, mit bebenden Schultern, sein Gesicht zerfließend in Ohnmacht und
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