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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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auf seinen blutbespritzten Schurz.
    »Ajb'isäj-ju'um d'ojis.« Der Alte warf sich vor Robert auf die Knie, und die jungen Priester taten es ihm gleich. Fackeln in den Händen, auf dem schlammigen Boden des Gangs kniend, umringten sie ihn in engem Kreis, wobei sie die rituelle Formel intonierten, die bereits in der Nacht immer wieder erklungen war: »Ajk'ub' Maya'ib, nojochk'inb'il, Retter der Maya, wir preisen dich!«
     
    Sie erhoben sich wieder, und ihre Mienen und Gebärden wirkten ehrerbietig, aber ebenso wachsam. Es war unverkennbar, dachte Robert, daß sie ihn wahrhaftig für den Gesandten ihrer Götter hielten. Doch eben deshalb schienen sie darauf gefaßt, daß er sich gegen sein Schicksal sträuben oder seine Pflichten abermals vernachlässigen würde, wie in jenem früheren Leben.
    Mit tauben Händen rieb er über seine fühllosen Arme. Er mußte einen furchtbaren Anblick bieten, jeder Zoll seiner Haut war mit geronnenem Blut bedeckt, als hätte er die Schlacht schon geschlagen und die tödlichen Wunden erlitten, die der Chilam Balam ihm prophezeit hatte. Jählings verspürte er wieder den Drang, die Flucht zu ergreifen, zumindest sein nacktes Leben zu retten, solange er noch den Hauch einer Chance besaß. Doch da vernahm er abermals jenes gepreßte Stöhnen aus dem Erdloch unter dem Gatter. Paul, dachte er, unmöglich konnte er die Gefährten einfach ihrem Schicksal überlassen.
    Durch Gebärden und einen Schwall von Worten gaben ihm die Priester zu verstehen, daß er sie begleiten solle, zur Lichtung hinaus. Sie waren zweifellos gekommen, um ihn zur heiligen Stadt Kantunmak zu führen, damit er dort seine göttlichen Pflichten erfüllte. Wenn er Paul retten wollte, mußte er ihren Erwartungen fürs erste auch entsprechen, zumindest so lange, bis die Gefährten frei waren und Paul von dem Zaubergift des Alten geheilt. Alles Weitere würde sich weisen, beschloß er, eine Gelegenheit zur Flucht würde sich schon ergeben, irgendwann auf ihrer Wanderung nach Kantunmak, Tage um Tage durch unwegsamen Wald.
    Unter diesen Gedanken schüttelte er den Kopf in Richtung des Alten und deutete auf das Gatter. »Dort unten sind meine Gefährten«, sagte er mit erhobener Stimme. »Öffnet das Verlies, holt sie heraus, sie begleiten mich nach Kantunmak.«
    Der alte Priester Cha'acs starrte ihn an, mit finsterer Miene, und sein Blick bohrte sich in Roberts Augen.
    »Mabo?« rief Robert. »Übersetze, was ich eben gesagt habe. Und frage den Alten nach seinem Namen.«
    Dumpf drang kurz darauf Mabos Stimme aus dem Erdloch herauf. Auch der Mestize klang angegriffen nach den Strapazen ihrer Gefangenschaft im Verlies. Robert beobachtete den grauen Priester, um zu sehen, wie er die Forderung auffaßte. Doch die Miene des Alten blieb unbewegt und verfinsterte sich höchstens um weitere Grade, als er schließlich eine rasche Antwort hervorbellte.
    Kaum hatte er geendet, da wollte Stephen zu einer Salve donnernder Flüche ansetzen, aber Miriam brachte ihn mit einem Zischen zum Schweigen. Dieses Zischen erstaunte Robert so sehr, daß er zurück an den Rand des Gatters trat und im Schein der Fackeln hinabspähte. Zusammengedrängt kauerten die Gefährten in entsetzlicher Enge, vier Schritte unter der Erdlinie. Anklagend starrte Stephen zu ihm hinauf, während Paul halb auf ihm lag, mit geschlossenen Augen, sein Oberkörper auf Stephens Schoß. In einem Winkel ihnen gegenüber saßen Mabo und der junge Mayakrieger, ihre Glieder aus Platznot ineinander verschlungen. In der Mitte aber thronte Miriam, majestätisch wie eine Göttin, mit flutendem Blondhaar, und warf Robert ein rasches Lächeln zu, das ihn für einen Moment gänzlich verwirrte.
    »Sein Name ist Ja'much, Herr«, berichtete Mabo, »das heißt ›Regenkröte‹. Er sagt, daß er Ajkechtiim mitnehmen will und ebenso das Halbblut, womit er mich meint. Aber die anderen, sagt er, sollen Aj'uch geopfert werden, dem gescheckten Zermalmer.« Der Mestize rapportierte den grausamen Plan mit gleichfö rmiger Stimme wie stets, doch seine weit aufgerissenen Augen verrieten, wie sehr ihn diese Aussicht bekümmerte.
    Robert sah auf ihn hinab, aber er nahm Mabo und Ajkechtiim, die wie ineinander verwachsen in ihrem Winkel hockten, nur am Rande wahr. Ein tollkühner Gedanke schoß ihm durch den Kopf, eine Eingebung, dachte er, aber durfte er es wirklich wagen? »Antworte ihm«, wies er endlich Mabo an, »daß auch sie mich begleiten müssen, denn es sind meine Gehilfen, die mir von den

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