Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
selben Moment krachte abermals ein Schuß. Robert spürte einen heftigen Stoß an seinem rechten Arm, den Rückstoß der losgehenden Pistole, wie er annahm. Der Wachsoldat, der direkt vor ihm gestanden hatte, riß die Augen auf, und die scharfen Falten, die sich von seiner Nase zu den Mundwinkeln zogen, wurden binnen eines Lidschlags weiß wie Schnee. Der Soldat wurde nach hinten geschleudert und fiel rücklings in die Arme seines Kameraden, Sergeant Muller, der unter der unerwarteten Last zu Boden ging. Jetzt schrien alle durcheinander, die beiden Soldaten wälzten sich im Gras, weitere Schüsse wurden abge feuert, Pulverdampf wallte umher, grau wie Londoner Nebelschwaden. Jemand schlug Robert auf die Hand, so daß die Pistole zu Boden fiel, etwas wurde über seine Schulter geworfen, und Climpsey zischte: »Hier, Ihre Tasche, Thompson - laufen Sie, immer hinter mir her!«
    Einen Moment lang stand er wie versteinert, unfähig, die Wendung zu begreifen. In qualvoller Unschlüssigkeit sah er zu den Maya hinüber, und ihm war, als deute der Uralte mit dem Kopf zur Straßenseite, mehrmals hintereinander, gebieterisch. Was nur, was um Himmels willen sollte er nun tun?
    Robert wandte sich um, zum Tor hin, an dessen linkem Pfosten eine schmale Gestalt lehnte, Hemd und Kopftuch leuchtend rot. Henry, dachte er und setzte sich im gleichen Moment in Bewegung, beinahe erleichtert, daß seine innere Lähmung, die ihn wochenlang hier in Fort George festgehalten hatte, sich endlich löste. Mit der einen Hand umklammerte er seine Tasche, mit der anderen hielt er seine Jacke fest, die lose über seinen Schultern hing. Er würde in den Dschungel ziehen, auf Catherwoods Spuren, ohne länger zu zweifeln oder zu zögern. Aus Leibeskräften lief er auf den Ausgang des Parks und auf den Mestizen Henry zu, der ihm mit großen Augen, wie zum Sprung geduckt, entgegensah. Drei Schritte vor ihm hastete Climpsey mit wehendem Umhang über den Rasen, und in seinem Rücken rannte Mortimer voran, den Seesack vor die Brust gepreßt und immer wieder von hinten gegen ihn rempelnd.
    In der Tiefe des Parks wurde ein weiterer Schuß abgefeuert, ein langgezogener, furchtbar emporschleifender Kampf-oder Klageruf ertönte, dann waren sie aus dem Park hinaus und rannten die Albert Street hinauf, keuchend, mit stampfenden Schritten. Immer noch hallten die Schüsse in Roberts Kopf nach und vermischten sich mit dem schauerlichen Ruf, den zweifellos der Uralte ausgestoßen hatte. Zu seiner Linken eilte der Mestize Henry dahin, mit wallendem Hemd und ein verschnürtes Bündel auf dem Rücken, als hätte er ihren sofortigen Aufbruch vorausgesehen. Vor ihnen tauchte eine sechsspännige schwarze Kutsche auf, und Henry schwang sich, mit einem verstörten Seitenblick zu Robert, vorn auf den Kutschbock, neben den Kutscher, der bereits die Peitsche über den Rössern schwang. Zugleich riß Climpsey den Schlag auf, warf seinen Koffer hinein und war im Nu in das Gehäuse gesprungen, gefolgt von Robert, den Mortimer kurzerhand am Hosenbund packte und wie einen Sack in die Kutsche warf.
    Noch ehe Robert sich aufgerappelt hatte, war auch Mortimer samt seinem Seesack im Wagen, der schon wieder Fahrt aufnahm, die Re gent Street hinauf, mit schnaubenden Pferden, so daß Passanten und langsamere Vehikel eilends zur Seite wichen.
    Mit dröhnenden Rädern und klappernden Türen, in deren Fensterluken sich schwarze Vorhänge wie Geistersegel bauschten, donnerte der Koloß an einer zierlichen einspännigen Kutsche vorbei. Gerade als die beiden Gefährte auf gleicher Höhe waren, wehte der Vorhang im Fenster der größeren Droschke empor, und Robert erkannte Mrs. Molton, die seinen Blick starr erwiderte, mit einer Miene eingefrorenen Zorns.
    Dann waren sie vorbei, schlingerten mit tollkühnem Schwung linker Hand in die Orange Street und rasten unter ohrenbetäubendem Rattern und fortwährendem Peitschenknallen immer rascher westwärts, auf den Friedhof von Belize Town zu, hinter dessen schäbigen, schreiend bunt bemalten Grabsteinen schon die Wildnis der Regenwälder begann.

ZWEI

     

1
     
     
    Wieder und wieder ließ der Kutscher die Peitsche knallen, und die Rösser jagten dahin, durch Schlamm und Wasserlöcher, daß die Reisenden in dem schwarzen Kasten erbarmungslos durcheinandergeschüttelt wurden. Der Fahrtwind pfiff durch die Fenster und ließ die Vorhänge knattern wie Piratensegel, dennoch war es in der Kutschkabine drückend schwül.
    Seit sie vor zwei Stunden

Weitere Kostenlose Bücher