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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Brauen, und Robert senkte besänftigend die Lider und wartete einen Moment, ehe er mit betont ruhiger Stimme weitersprach. »Und warum Stephen oder du niemals erwähnt habt, was es mit diesem Dorf hier auf sich hat.«
    »Weil wir selbst keine Ahnung hatten, verflucht!« Paul fuchtelte mit seinem Gewehr. »Natürlich wußten wir, daß die British Mahogany Company einen Trupp Seouls und Kartographen hier herausgeschickt ha t, unter Führung von Oldboy. Sie sollten die Landkarten vervollständigen, die für diese Gegend noch reichlich lückenhaft sind, und vor allem ergiebige Mahagonigründe ausfindig machen.«
    »Und weiter?« fragte er, indem er unverwandt den jungen Burschen mit dem Messer ansah. »Was ist mit diesem Oldboy passiert? Und was hat er mit den Männern aus dem Dorf hier angestellt?« Er versuchte beruhigend zu lächeln, aber der Junge schaute so drohend zurück, daß er es vorzog, für einen Moment
    wieder die Lider zu senken.
    »Na, was wird er schon angestellt haben«, fuhr Paul fort, »er wird die nackten Affen in den Wald getrieben haben, zum Holzschlagen, was sonst?« Er unterbrach sich und fuchtelte mit dem Gewehr in Richtung der Burschen am Wegrand. Einige von ihnen hatten sich bewegt, doch nun erstarrten sie wieder und begnügten sich damit, ihre Blicke zwischen Paul und ihrem Gefährten am Boden hin-und herhuschen zu lassen.
    »Weiter, Paul«, sagte Robert. Der Regen stürzte auf sie nieder. Er hatte den Eindruck, daß der Weg unter ihm immer weicher wurde und er tiefer und tiefer im Schlamm versank.
    Paul striegelte sich mit gespreizten Fingern die Haare aus der Stirn und schnaufte. »Oldboy und sein ganzer Trupp«, fuhr er mit hörbarem Widerstreben fort, »sind seit einem Monat überfä llig. Anfang Juli hätten sie zurück sein sollen, im Victoria Camp. Und da bekamen Stephen und ich eben den Auftrag, einmal nachzusehen, was es mit dieser Verspätung auf sich hat, und notfalls auf eigene Faust neue Schlaggründe für die Company zu suchen. Und da dieses Affendorf hier sozusagen auf unserem Weg liegt...« Er malte mit seiner Flinte einen Schnörkel in die Luft und verstummte.
    Aus dem Gras am Wegrand sprang auf einmal ein kleiner brauner Frosch und landete mit einem Satz auf Roberts Hand, die im Schlamm lag, die Handfläche nach oben. Robert zuckte zusammen, als er die kalte Berührung spürte, und der Frosch machte einen weiteren Satz und verschwand wieder im Gras. Nur einen Augenblick später hörte es auf zu regnen, und über ihnen riß die Wolkendecke auf.
    »Und diesen Auftrag wolltet ihr vor mir geheimhalten?« fragte Robert. »Warum?« Er schluckte behutsam und spürte, wie sich die Klinge stärker gegen seinen Kehlkopf drückte.
    »Na, warum wohl - weil du eben eine verfluchte Memme bist!« stieß Paul hervor. »Glaubst du etwa, daß du mit uns gekommen wärest, wenn Stephen oder ich dir verraten hätten, daß die weißen Männer hier draußen dutzendfach von Affen massakriert werden?« Er biß sich auf die Unterlippe und verstummte.
    Robert fühlte sich noch immer seltsam ruhig, als betreffe all das hier nicht ihn, sondern einen beliebigen Fremden. Er sah in das kakaofarbene Gesicht hinauf, das zehn Zoll über ihm schwebte und über dem die Sonne wieder vom Himmel brannte, daß Pfützen und Schlamm, ihre triefnassen Kleider und selbst die Haare des Jungen dampften.
    »Hör mir zu, Paul«, sagte er langsam. Wieder schluckte er behutsam und spürte, wie sich sein Adamsapfel gegen die Schneide drückte. »Stephen und du braucht meine Hilfe, denn ohne mich kommt ihr niemals an den Schatz. Um mich hier herauszulocken und zu erpressen, habt ihr mich von Anfang an angelogen und absichtlich in Mordverdacht gebracht.«
    Sein Herz begann heftig zu klopfen, aber es war ein gleichmäßiges, starkes Pochen, wie ihm schien. Allerdings wurde auch der Schmerz in seinem Schädel immer ärger. Sie mußten ihm mit einem harten Gegenstand, dachte er, mit einem Stein oder dem Messergriff, auf den Kopf geschlagen haben. Um das Gesicht des Jungen herum nahm er auf einmal einen leuchtenden Umriß wahr, drei unregelmäßige Farbschichten, innen rot, dann türkis, außen goldgelb gleißend, deren Ränder sich flackernd miteinander vermischten, wie die Aura von Engeln auf alten Gemälden.
    »Ich hatte es längst geahnt«, fuhr er fort, »nur wollte ich es nicht wahrhaben. Aber jetzt ist auf einmal alles klar«, sagte er und sah in das Gesicht über ihm, das auf rätselhafte Weise verwandelt schien. Er hätte

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