Im Tempel des Regengottes
war und sich gleichwohl mit aller Kraft gegen seine Peiniger wehrte.
Sie schleiften ihn zu einem Pfahl drei Schritte links von Robert und stießen ihn zu Boden. Als Mabo sich weiterhin sträubte und lauthals schrie, beugte einer der Krieger sich über ihn und schlug ihm mit der Faust gegen den Kopf. Der Mestize verstummte mit einem Seufzer, und nun lehnten sie seinen schlaffen Oberkörper gegen den Pfahl, banden ihn genauso fest, wie auch Robert und Paul gefesselt worden waren, die Hände hinterrücks an den Pfahl geschnürt, und gingen wieder nach draußen, ohne sich weiter um ihre Gefangenen zu bekümmern.
»Mabo?« Robert flüsterte es und lauschte, doch er erhielt keine Antwort. Er versuchte es noch einmal und ein drittes Mal, nachdem eine halbe Stunde verstrichen sein mochte, aber umsonst. Der Mestize lag, ebenso wie Paul, in tiefem Schlaf.
Längst war das Kreischen der Vögel wieder verstummt, stockfinster war es nun in dem fensterlosen Raum. Zu Roberts Seiten murmelten und seufzten Paul und Mabo, nur er selbst fand keinen Schlaf. Ein Feuer war vor dem Eingang des Langhauses entzündet worden. Er beobachtete die zuckenden Silhouetten ihrer Wärter, und in seinem Kopf zuckten Gedanken und Erinnerungsbilder ebenso unstet im Kreis.
Ob Stephen in der Nacht doch noch kommen würde, sie zu befreien? Oder hatten er und Miriam eine andere Möglichkeit gefunden, sich des Schatzes zu bemächtigen, und daher beschlossen, sie ihrem Schicksal zu überlassen? Unmöglich, dachte er, zumindest Paul, seinen Freund aus frühen Tagen, würde Stephen nicht einfach im Stich lassen. Und wie sonst wollten sie den Schatz aufspüren, wenn nicht mit Hilfe jenes Lageplanes, der in der Glyphenschrift der alten Maya beschriftet war? Nein, sagte er sich, solange sie glauben, daß ich die Schrift entziffern kann, werden sie keine Gefahr scheuen, um uns zu befreien.
Doch je weiter die Nacht voranschritt, desto unruhiger wurde er. Sein Mund war wie vertrocknet, nicht nur, weil er seit Stunden nichts getrunken hatte, mehr noch vor nackter, die Kehle ausdörrender Angst. Es war eine Sache, sich in traumhaften Bildern auszumalen, wie man in der Wildnis willenlos unterging, doch etwas ganz anderes, dem eigenen Sterben entgegenzusehen, der Abschlachtung seines Leibes, womöglich unter grauenvollen Schmerzen, die diese jungen Krieger ihnen zufügen würden, mit urtümlicher Grausamkeit.
Er stellte es sich vor, und das Herz klopfte ihm bis hinauf in die Kehle. Wenn die Bewohner dieses Dorfes, dachte er, Oldboy und seine Männer getötet hatten, würden sie nicht zögern, sich ihrer ebenso zu entledigen. Und wenn Oldboy die erwachsenen Krieger des Dorfes verschleppt und vielleicht sogar ihren Tod verschuldet hatte, würden ihre Söhne an ihnen dreien blutige Rache nehmen. Oldboy, was für ein törichter Name, dachte er dann, er erinnerte ihn an irgend jemanden, aber an wen nur? Einen Moment lang grübelte er darüber, doch es fiel ihm nicht ein. So oder so sah es übel für sie aus, dachte er und lauschte in die Dunkelheit hinaus, mit klopfendem Herzen, Stunde um Stunde, bis er in der Morgendämmerung endlich in unruhigen Schlaf sank.
5
Sie packten ihn unter den Achseln und zerrten ihn in die Höhe, so daß er mit dem Rücken schmerzhaft den Pfahl hinaufschrammte. Ehe er auch nur ahnte, wie ihm geschah, wurde eine Schlinge um seinen Hals geworfen, ein daumendickes Seil. Vor ihm stand der junge Krieger, der ihn gestern überwältigt hatte. Sein Blick bohrte sich in Roberts Augen, und jetzt schwang er das Seil und warf es zum Dach hinauf, über einen querlaufenden Balken. Er ergriff das herabfliegende Ende und zog es mit der gleichen Bewegung so heftig zu sich herunter, daß Roberts Kopf emporgerissen wurde und die Schlinge ihm mit einem Ruck die Luft abschnitt.
Robert vernahm ein Röcheln und begriff dann erst, daß er selbst es ausgestoßen hatte. Lichter tanzten vor seinen Augen, und wie eine Fledermaus stob in ihm die Angst empor. Um den furchtbaren Druck auf seine Kehle und das Ziehen an seinem Nacken zu mindern, hob er sich auf die Zehenspitzen und reckte das Kinn, so hoch es nur ging. Sein Mund hatte sich geöffnet, und er hörte sich gurgelnd ein-und ausatmen. Zu seinen Seiten standen Mabo und Paul, ebenso erbarmungslos emporgerissen, ihre Köpfe in Schlingen, die Hälse so eng umschnürt, daß Mabo keuchend atmete und Paul die Augen aus den Höhlen quollen.
Einige Schritte hinter den jungen Kriegern, an der Schmalseite des
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