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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Langhauses, bemerkte er jetzt ein Podest, mit Fellen verkleidet, kniehoch und mehrere Schritte breit. Der neue Tag war längst angebrochen, mit strahlendem Sonnenschein, der durch das Türloch drang und den vorderen Teil des Raumes erhellte. Obwohl das Podest selbst im Schatten stand, konnte Robert so die drei Gestalten erkennen, die nebeneinander auf den Fellen saßen, in verzierten Gewändern, die Oberkörper aufgerichtet, die Beine verschränkt. Es waren alte Männer, mit verrunzelten Gesichtern und grauen Haaren, die spinnwebdünn auf ihre Schultern fielen. Zahnlose Münder öffneten und schlossen sich schnappend, zwischen eingefallenen Wangen, als ob auch den Greisen auf ihrem Thron die Atemluft abgeschnürt würde. Sie mußten uralt sein, dachte Robert, besonders der mittlere Greis schien kaum mehr zu den Lebenden zu zählen. Seine Haut war von fahlem Graubraun, zerfurcht und rissig, und seine Augen lagen so tief in ihren Höhlen, daß statt der Augäpfel nur zuckende Schatten zu sehen waren.
    Nun hob der Uralte die rechte Hand. »Luk'sik!« Seine Stimme klang heiser und bellend.
    Die drei jungen Krieger, die vor den Gefangenen standen, hatten sich kurz zu den Greisen umgewendet, jetzt drehten sie sich wieder herum, die Enden der Seile noch in der Hand. Robert balancierte auf den Zehen und atmete gurgelnd ein und aus, und die Angst jagte in ihm umher, flatternd mit tausend Fledermausflügeln. Er suchte den Blick des jungen Burschen vor ihm, doch der Krieger sah finster an ihm vorbei. Was mochte der gebellte Befehl des Alten bedeuten? War es schon die Anweisung, ihre Hälse zu brechen?
    Mit zwei Schritten war der Mayabursche hinter ihm, und Robert wartete erstarrt, daß sich die Schlinge mit endgültiger Gewalt straffe n würde. Doch dann spürte er, wie der Junge das Seilende um seine Handfesseln schlang, und Erleichterung durchströmte ihn, ja Dankbarkeit, daß sie ihn am Leben ließen, auch wenn es nur gestundetes, erbärmliches Leben war, mit zusammengeschnürter Kehle. Gur gelnd saugte er aufs neue Atemluft ein, und noch während sich seine Brust mit einem Zittern hob, trat der Mayakrieger wieder vor hin, packte mit beiden Händen sein Unterhemd und riß es ihm vom Leib.
    Wieder stöhnte Robert auf. Der Ruck hatte seinen ganzen Körper abwärts gerissen, so daß die Schlinge sich noch enger zuzog und sein Kopf noch höher gezerrt wurde. Ein furchtbarer Schmerz fuhr ihm durch Nacken und Rücken hinab, abermals kreisten grelle Lichter vor seinen Augen. Noch während er sich wieder auf die Zehen zu erheben versuchte, hörte er ein scharfes Ratschen, von schwerem Stoff, der entzweigerissen wurde, dann spürte er, wie seine Hosen in Fetzen an ihm herabfielen, so daß er in gänzlicher Nacktheit vor seinen Peinigern stand.
    Mühsam verdrehte er die Augen, nach beiden Seiten, auch Paul und dem Mestizen waren die Kleider vom Leib gerissen worden. Auf einmal kam ihm ein Wandgemälde in den Sinn, aus einem Mayapalast in Copán, das Catherwood meisterlich kopiert hatte. Keuchend rang er um Atem, und je mehr ihm die Sinne zu schwinden drohten, desto lebhafter sah er das Gemälde aus alter Zeit vor sich. Es zeigte eine Gruppe gefangener Krieger, offenbar edlen Geblüts, da ihre Ohren mit gekreuzten Stäben verziert waren, ebenso wie die Ohrläppchen des siegreiche n Herrschers, in dessen Thronsaal sie sich befanden, nackt bis auf jenen Schmuck. Einige knieten vor dem Herrscher, die Hände emporgereckt und augenscheinlich um Gnade flehend, andere lagen bäuchlings vor ihm, und wieder andere, aber das erkannte man erst auf den zweiten Blick, kauerten auf allen vieren am Boden, mit hängenden Köpfen, und der Herrscher stand breitbeinig auf ihren Rucken, eine stämmige Gestalt in reich verzierter Tunika, die Arme vor der Brust verschränkt.
    Die bellende Stimme des Uralten riß ihn aus seinen Phantasien. Der Greis stieß einen langen Redeschwall hervor, doch Robert verstand kein Wort. Nach und nach bemerkte er lediglich, daß in dem Sermon die Wörter Kimil! und Kantunmak mehrfach wiederkehrten.
    »Mabo, was sagt er?« Er erschrak über seine eigene Stimme, ein Krächzen zwischen gurgelnden Atemzügen.
    »Ins Land der Maya... eingedrungen...« Die Stimme des Mestizen klang ebenso qualvoll verzerrt. »... deshalb... sterben...«
    Er schielte zu Mabo hinüber, der Mestize drehte seinen Kopf in der Schlinge hin und her, den Mund weit geöffnet. Sie
    würden hier sterben, ohne Zweifel, dachte Robert, und es machte ihm nicht

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