Im Tempel des Regengottes
nach Staub und Moder roch.
1ltzimin winkte sie heran und ordnete durch gebieterische Gesten an, daß Paul und Mabo jeder eine weiße Tunika erhielten. Dann erhob er sich ächzend und bat Robert, mit Gebärden und Worten und unter unaufhörlichen Verbeugungen, sich gleichfalls aufzurichten. Von neuem Argwohn erfüllt, stand Robert auf, wobei er mit der Linken einen Hemdfetzen vor seine Lenden hielt. Neben ihm warf sich Mabo schon seine Tunika über, während Paul nur benommen auf den weißen Kittel hinabsah, der ihm auf einmal in den Schoß gefallen war. Zehn Schritte hinter Iltzimin und dem Krieger, der das Fell herbeigeschleppt hatte, hockten die beiden anderen Alten hochaufgerichtet auf dem Thron. Robert sah, wie sich ihre ohnehin schon düsteren Mienen noch mehr verfinsterten, als Iltzimin nun das Fell mit beiden Händen von der Schulter des Kriegers zog und vor seinen Augen entrollte. Es mußte ein Jaguarfell sein, dachte er erstaunt, die braunweiß gefleckte Haut eines riesigen, wenigstens mannsgroßen Jaguars. Beine und Tatzen hingen an den Seiten schlaff herab, und der Schweif schleifte am Boden als Iltzimin mit einem raschen Schritt neben ihn trat und ihm das stinkende Fell über die Schultern warf.
»Ajb'isäj-ju'um d'ojis«, rief der Greis aus und sank abermals vor ihm zu Boden, neben den schmalen Mayaburschen, der immer noch auf den Knien lag, die Stirn in den Staub gepreßt.
»Olnak uyool, Ajb'isäj-ju'um d'ojis...«
Mabo übersetzte, ohne die Miene zu verziehen: »Bote der Götter, ich bitte dich, nimm dieses Geschenk an, zum Zeichen, daß du uns vergibst...«
»Was für ein Geschenk?« fiel ihm Robert ins Wort.
»Der junge Krieger, Herr, zu deinen Füßen«, flüsterte der Mestize, während Iltzimin schon weitersprach. »Sein Name ist Ajkechtiim, Springfrosch. Sein Leben ist verwirkt, nach dem Gesetz der alten Götter, da er ihrem Boten, dir, Herr, Schmach und Gewalt angetan hat.«
Entgeistert sah Robert auf die kleine Gestalt hinab, die vor ihm im Staub lag, neben dem knienden Schamanen, der zu ihm aufsah und in beschwörendem Singsang unablässig auf ihn einsprach.
»Iltzimin schenkt dir Ajkechtiim, Herr«, sagte Mabo. »Er bittet dich, das Geschenk anzunehmen, zum Zeichen, daß du den Maya von Chul Ja' Mukal nicht zürnst und dich bei den Göttern nicht dafür aussprechen wirst, ihre Ernte zu verderben, Hungersnot oder andere Übel auf sie herabzubeschwören.«
Was der Mestize da mit monotoner, noch immer gepreßt klingender Stimme übersetzte, hörte sich so ganz und gar phantastisch an, daß es in Roberts Kopf zu sausen begann. Es mußte eine Falle sein, dachte er, oder einfach ein Irrtum, eine Verwechslung. Wie konnte ausgerechnet dieser blinde Greis behaupten, daß er einer steinernen Figur draußen im Dschungel ähnlich sah? Doch da fiel ihm ein, daß auch die beiden anderen Alten, die ihre Sehkraft noch besaßen, ihn voller Aufregung angesehen und »tunichsaantoj «, heiliger Stein, gemurmelt hatten. Und auf einmal entsann er sich auch der Worte, die der greise Maya-Abgesandte im Park des Gouverneurs ausgerufen hatte, zumindest laut Paul: daß er, Robert, der »wiedergeborene Vernichter des heiligen Königreichs Tayasal« sei.
Verblüfft sah er auf den knienden Schamanen hinab. Zumindest dieses Rätsel war damit gelöst, sagte er sich. Auch der uralte Maya in Fort George schien die Steinfigur draußen im Wald aus eigener Anschauung zu kennen, und sie mußte ihm wohl in der Tat ungemein ähnlich sehen. Wen sie allerdings darstellte, ob einen »Götterboten« oder den »Vernichter von Tayasal«, das schien schon wieder strittig, denn daß beide Versionen sich gegenseitig ausschlossen, stand für Robert fest, der jetzt erst bemerkte, daß Iltzimin verstummt war und ihn mit einem Ausdruck erstarrten Flehens ansah.
»Er fragt, ob du das Geschenk annimmst, Herr.«
Robert sah von Mabo, der gleichmütig zurückschaute, zu Paul, der immer noch nackt am Boden hockte, eine spindeldürre Gestalt, mit hängendem Kopf, offenbar kaum bei Sinnen, die weiße Tunika im Schoß. Von diesen beiden war kein Rat zu erwarten, und erst recht nicht von Iltzimin, der seinerseits versteinert schien, so reglos kniete er vor ihm, zu ihm aufsehend, den Kopf weit zurückgelegt. Endlich fiel sein Blick auf Ajkechtiim, den schmalen Rücken, das verworrene schwarze Haar, mehr war von der kleinen, zusammengekrümmten Gestalt nicht zu sehen. Es war ein grausamer Brauch, dachte er, einen Menschen zu verschenken wie
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