Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
Vom Netzwerk:
das Auto anschmeißen. Dich auf den Rücksitz packen. Und wie ein Irrer losfahren, nur wohin … Keine Ahnung, wohin dieser Weg führt, aber irgendwo muss man ja hinkommen, Fenris.«
    Fenris stützte sich auf einen Ellbogen. Er keuchte und würgte, aus seinem Hals sprühte eine Mischung aus Luft und Blut, ein roter Nebel, wenn er nach Luft schnappte oder ausatmete.
    Luke schaute wieder zum Haus und fragte sich, ob es dort wohl noch eine weitere Schusswaffe gab. Im Inneren des düsteren Gebäudes schien sich nichts zu bewegen, aber Surtr würde sicherlich bald etwas unternehmen. Von der Wiese aus konnte er durch die geöffnete Haustür sehen und den Flur bis zum hinteren Ende des Hauses überblicken. Nirgendwo bewegte sich etwas.
    Er schaute wieder auf Fenris hinab. Luke wollte etwas sagen,
unbedingt. Er musste sich diese Situation erklären. Es kam ihm vor, als würde er etwas tun, ohne überhaupt darüber nachgedacht zu haben. Er handelte nur instinktiv. Aber woher kamen diese Instinkte bloß?
    »Es ist zu spät«, sagte er zu Fenris und war selbst überrascht, dass seine Stimme ungewöhnlich fest und entschlossen klang. »Ich glaube nicht, dass genug Zeit dafür wäre. Es ist einfach zu spät, um überhaupt irgendwas zu tun oder auch nur darüber nachzudenken. Das Ganze ist aus dem Ruder gelaufen. Ihr seid zu weit gegangen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.«
    Fenris hatte womöglich gar nicht zugehört. Er versuchte, auf Lukes Bein zuzukriechen.
    »Ihr habt gekidnappt, ihr habt gemordet. Wie könnt ihr da auf Gnade hoffen? Irgendwann muss man für alles einstehen, die Konsequenzen tragen. Das habe ich Loki auch gesagt. Darüber habt ihr nie nachgedacht, oder? Selbst wenn man euch gefasst hätte, hättet ihr erwartet, dass man euch als etwas Besonderes behandelt. Das haut mich am meisten um. Und ihr hättet wahrscheinlich auch noch eine besondere Behandlung bekommen. So ein Schwachsinn, Fenris. Scheiß drauf.«
    Fenris schnappte hilflos nach Luft. Er versuchte, Lukes Bein zu packen, wurde aber von einem Krampfanfall daran gehindert. Luke hielt den Lauf des Gewehrs dicht vor sein Auge und drückte ab.
    Dann drehte er sich um und ging zum Haus zurück. Auf der Veranda hielt er kurz inne, blieb neben Loki stehen, links neben der Tür, und spähte in den Flur. Loki bewegte sich nicht mehr, aber sein Blut strömte über die Veranda. Luke hätte jetzt gern eine Zigarette geraucht. Er hatte versäumt, sie zu fragen, wo sie seinen Tabak hingetan hatten. Sein Kopf fühlte sich leicht an, ihm war fast heiter zumute. Nun wollte er alles möglichst schnell hinter sich bringen.
    »Surtr!«

    Aus dem oberen Stockwerk kam nicht das leiseste Geräusch.
    Was tun, was tun, was tun.
    Munition. Wie viele Kugeln hatte er noch übrig? Das Gewehr besaß ein Magazin. Aber er wusste nicht, wie man es herausnahm, um nachzusehen, ob es noch geladen war. Und wenn er es schaffte, fürchtete er, dass er das Magazin nicht wieder korrekt in die Waffe schieben konnte. So etwas war nie ganz einfach. Er brauchte unbedingt noch ein Messer, zur Sicherheit.
    »Surtr! Loki ist tot. Deine Freunde sind tot. Kannst du mich hören?«
    Stille.
    Er hob sein Gewand an und sah sich seine Hüfte an. Sie klaffte auf wie ein lippenloser Mund. Das herausströmende Blut hatte den Saum des Kleids rot verfärbt. Neues Blut auf altem Blut. Er konnte den Anblick nicht ertragen. Das Messer war auch in einen Muskel an seiner Brust gedrungen. Als er den Blick senkte, um diese Wunde in Augenschein zu nehmen, wurde ihm schwindelig, kalt und übel. Er beugte sich vor und wagte kurz die Augen zu schließen. Atmete tief ein und aus. Dann richtete er sich wieder auf, stieg über Loki hinweg und ging zurück in die Küche.
    Er sah die alte Frau an, und sie sah ihn an. Sie hockte noch immer in ihrem kleinen Bettkasten neben dem Herd. Und schien noch etwas von ihm zu erwarten, unzufrieden mit ihm zu sein. Er hatte noch einiges zu tun, die Arbeit war noch nicht erledigt. Aber wie, wollte er sie fragen, obwohl sie ihn ja nicht verstand und kaum antworten konnte. Er wollte nicht diese schmale Treppe hinaufgehen und dort die kleinen Zimmer mit den niedrigen Decken durchsuchen. Das war keine gute Idee, er war viel zu schwach nach dem immensen Blutverlust. Das Gewehr zitterte in seinen bleichen Händen. Das Mädchen würde ihn womöglich dort oben erwarten, irgendwo im Dunkeln lauern, mit einem scharfen Messer in ihrem Patschhändchen. Die Schlampe.

    Und was sollte er mit all diesen

Weitere Kostenlose Bücher