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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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hatte schon einmal eine Flinte mit Kaliber.22 abgefeuert, als er in der Kadettenausbildung war. Sie hatte einen Geradezugverschluss gehabt. Er bewegte den Verschluss vor und zurück und hoffte, dass er dadurch eine Kugel in die Kammer schob. Dann richtete er den Lauf erneut auf Fenris und drückte den Abzug durch. Wieder bewegte er sich nicht. »Scheiße.«
    Er lehnte das Gewehr gegen die Wand. Es rutschte sofort zur Seite und fiel laut scheppernd zu Boden.
    Fenris lehnte sich gegen den Holzkasten, in dem er geschlafen hatte. Er hatte sein Messer fallen gelassen und versuchte, mit
beiden Händen die Blutung an seiner Seite zu stillen. Er weinte vor sich hin, sah zur Decke und rief mehrmals nach Loki. Dann stöhnte er auf vor Angst und Schmerz. Der Anblick des Blutes, das über seine Hände und den Griff des Schweizer Messers quoll, das immer noch in seinem Unterleib steckte, versetzte ihn in Panik, nicht zuletzt, weil es Luke gelungen war, die Klinge noch ein Stück tiefer hineinzutreten.
    Im oberen Stockwerk hörte man Schritte. Eilig schlurfende, hastig voranstolpernde Schritte.
    Luke trat zu Fenris und hob den Dolch auf, der vor seinen nackten Füßen auf dem Boden lag.
    »Bitte, Luke«, sagte Fenris.
    Luke stieß die Klinge in den Hals des Jungen. Ganz durch, bis der Griff gegen den Adamsapfel stieß und dort hängen blieb.
    Luke taumelte keuchend zur Seite. »Tut mir leid, Scheiße. Scheiße.« Er wollte, dass es endlich aufhörte.
    Die alte Frau sagte etwas auf Schwedisch. Sie nickte zustimmend mit ihrem kleinen weißhaarigen Kopf, und ihre Augen lächelten ihn über Fenris’ Schulter hinweg an.
    Der Junge gab ein grässliches gurgelndes Husten von sich und taumelte wild durch die Küche. Sein Blut spritzte in alle Richtungen, dann stolperte er durch die Tür, als hoffte er, dort draußen jemanden zu finden, der ihm helfen konnte.
    Schwere Stiefel dröhnten durch den Korridor im ersten Stock, dann trampelten sie die Stufen hinunter. Loki.
    Fenris wandte sich nach links und rannte auf die Haustür zu, wie jemand, der dringend an die frische Luft musste, weil ihm schlecht geworden war.
    Luke hob das Gewehr auf und starrte es an. Jetzt bemerkte er den kleinen Stahlstift neben dem Abzug. Er stemmte das Gewehr mit dem Lauf nach unten auf den Boden und fasste nach dem Stift, um ihn aus der Sicherungsposition zu schieben.
    Die schweren Stiefel trampelten die letzten beiden Stufen
hinunter und näherten sich durch den Korridor. Loki wurde langsamer, wollte sich offenbar beruhigen, aber er war viel zu aufgeregt. Luke bemerkte es am Klang seiner Stimme, als er auf Norwegisch etwas hinter Fenris herrief. Offenbar hatte er ihn über die Veranda oder die Wiese vor dem Haus davonlaufen sehen. Luke legte das Gewehr an und zielte auf die Mitte der Türöffnung. Er konnte die lange schwere Waffe kaum ruhig und gerade halten, so schwach waren seine Arme.
    Kaum hatte er den Lauf auf den Eingang gerichtet, kam Loki auch schon in geduckter Haltung in die Küche, um sich nicht den Kopf am Türrahmen zu stoßen. Er bemerkte Luke erst, als es schon zu spät war. Einen kurzen Moment lang sahen sie sich direkt in die Augen. Loki war offensichtlich noch nicht ganz ausgeschlafen, seine Schminke war völlig verschmiert. Er zuckte zusammen, dann runzelte er verwundert die Stirn, und in diesem Augenblick zog Luke den Abzug durch und schoss.
    Das Gewehr schlug gegen seine Schulter, aber nicht zu heftig. Das Krachen des Schusses aber war ohrenbetäubend. So laut, dass man das Gefühl hatte, der Schieferboden würde sich spalten und die Fenster zerspringen. Es dröhnte, als donnerte ein Düsenflugzeug im Tiefflug über sie hinweg. Loki verschwand aus dem Türrahmen. Luke hörte ein Pfeifen in seinen Ohren. Die alte Frau schrie auf vor Angst. Sie hielt sich die Ohren zu. Um Luke herum schien sich alles zu drehen. Die Welt tanzte hin und her und alles verschwamm in dem Klingeln in seinen Ohren und unter dem Eindruck, dass er gerade eine Kugel auf einen Menschen abgefeuert hatte.
    Luke schob den Verschluss auf und zu. Eine messingfarbene Patronenhülse flog heraus und landete auf dem Schieferboden, ein dünner Rauchfaden stieg von ihr auf. Er fasste sich wieder, das Unwohlsein ließ nach. Es roch wie bei einem Feuerwerk.
    Loki hockte auf allen vieren auf dem Boden im Korridor. Sein Kopf hing herab, seine Haare verdeckten das Gesicht, er
schnappte nach Luft, sein breiter Rücken zitterte. Seltsamerweise kroch auch er auf die Haustür zu, die nun

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