Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
Dort kniete er sich hin
und legte das Gewehr neben sich. Dann tastete er mit zittrigen Händen um die kleinen Stühle herum, spürte den mürben trockenen Stoff ihrer Kleider und ihre dünnen zerbrechlichen Knochen, bis er schließlich den ersten kleinen Kopf fand.
»Ihr habt sie auf dem Platz zwischen den Steinen umgebracht«, flüsterte er. »Ja, ihr habt es mir gezeigt. Ihr habt sie auf Wagen dorthin gebracht, um sie zu töten.«
Er legte seine Hand auf den sich langsam hin und her bewegenden kleinen Schädel, hob das Messer und stieß zu.
Die Klinge schnitt durch die Haut, die kaum fester war als mürbes altes Papier, durch den Schädel, dessen Knochen kaum dicker waren als eine Eierschale, und dann weiter durch die Überreste des Gehirns. Vielleicht wurde dieses Wesen von einem alten Zauber am Leben erhalten, aber mit diesem einen Schnitt war seine Existenz beendet, die womöglich zu einem Zeitpunkt begonnen hatte, als die hohen Bäume dort draußen noch kleine Sprösslinge waren. Die anderen herumsitzenden Gestalten bewegten sich im Dunkeln und versuchten, ihn in die Hand zu beißen. Er hörte, wie ihre winzigen Kiefer klapperten.
»Ich hab euer altes Haus gesehen. Ich bin da gewesen. Ihr habt eure Opfer über einem Becken aufgehängt. Ihr habt es mir gezeigt. Habt ihr euren Gott mit Blut gefüttert?«
Die zweite Gestalt war eine Frau, das spürte er jetzt, obwohl es auf dem Dachboden stockdunkel war und er beim ersten Mal, als er hier gewesen war, nicht viel gesehen hatte. Er fand es erstaunlich, wie sehr er sich auf seine Instinkte verlassen konnte, wenn nichts anderes mehr übrig war.
Als er sie mit seinen Händen in der Dunkelheit ertastet hatte, hörte er, wie sich ihr Gebiss knackend öffnete und spürte den Biss eines zahnlosen Mundes an seinen Fingern. Es tat nicht weh, aber er stieß vor Schreck einen Schrei aus. Sie leistete bis zuletzt Widerstand, wie ein sterbendes Insekt, das noch im Todeskampf versucht, seinen Gegner zu stechen.
Er machte schnell mit ihr Schluss, indem er mit dem Messer zustach und den Schädel in zwei Hälften spaltete, während er den dünnen Hals mit der anderen Hand festhielt. Er spürte, wie die beiden Teile des Schädels auf den Boden fielen und Staub aufwirbelte. Er atmete einiges davon ein und musste husten und ausspucken.
Er stand auf und ging die Reihen der rasselnden und murmelnden kleinen Wesen entlang, und da wo er etwas hörte oder einen ihrer eckigen, knorpeligen Schädel ertastete, stieß er mit dem Messer zu. Er erledigte sie alle, einen nach dem anderen. Jeder Schädel wurde gespalten und fiel in den Staub, bis niemand mehr übrig war, der herumzappeln oder flüstern konnte.
Als er mit ihnen fertig war, bückte er sich, um das Gewehr wieder an sich zu nehmen. Er überlegte, wo er etwas zum Anziehen finden konnte, und im gleichen Moment hörte er draußen im Wald ein so fürchterliches Geräusch, dass er das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel.
Es war dieses grauenerregende brüllende Bellen. Und dann ertönte wieder dieses teuflische Jipp-Jipp-Jipp.
Der feuchte Himmel, die uralten Bäume und die kalte unbarmherzige Erde wirkten wie ein Resonanzraum, der nun den ältesten und durchdringendsten Schmerzensschrei verstärkte, den es auf dieser Erde je gegeben hatte, und der jeden Lebenden, der ihn hörte, bis ins Mark treffen musste. Der Schrei einer Mutter.
Kurz darauf hörte er auch Surtr. Sie schrie ebenfalls auf, und er wusste sofort, dass sie ein jähes schmerzhaftes Ende in den Klauen eines Monsters gefunden hatte, das viel größer und bösartiger war als sie. Moder kam nach Hause. Getrieben von der Trauer um den Verlust ihrer Kinder.
Luke hastete taumelnd zur Treppe und fiel beinahe die Stufen hinunter. Er rannte in das Zimmer, in dem Loki und Surtr gewohnt hatten und schaute durch das Fenster in den Wald. Die
Sonne war kaum mehr zu sehen, schien sich ängstlich hinter den dicken grauen Wolken zu verbergen.
Wieder hörte er das brüllende Bellen. Er konnte sie nicht sehen, aber er wusste, dass sie schon sehr nahe war. Irgendwo in der Nähe zitterten Moders schwarz glänzende Flanken vor Schmerz, und die Schreie drangen zitternd und qualvoll aus ihrer Raubtierkehle. Sie raste vor Wut. Sie war blind vor Wut. Sie wollte töten.
Das Auto. Das verdammte Auto.
Das Messer in der einen, das Gewehr in der anderen Hand, nackt und blutverschmiert, trampelte er mit weichen Knien die Treppe hinab und taumelte in die Küche. Dort spähte er aus dem
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