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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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geheiratet hatte. Und hatte sich dagegen entschieden, sie am Morgen nach dem Osterball wiederzusehen. Jetzt, sechzehn Jahre danach, konnte er sich noch daran erinnern, wie sie unter ihm gefaucht hatte wie eine Katze und wie sie die Augen verdreht hatte, bis nur noch das Weiße zu sehen war, als sie zum Orgasmus kam. Zu seiner Schande musste er sich eingestehen, dass er nichts mehr an ihr fand, nachdem er ejakuliert hatte, sondern sie plötzlich überhaupt nicht mehr leiden konnte.
    Nur Hutch schien weiterhin gut in Form zu sein, und ausgerechnet er war der Älteste. Er ging Klettern, tauchte in der Nordsee nach versunkenen Schiffen und fuhr zu Hause mit dem Mountainbike durch die Gegend. Er wurde sogar in der Rangliste der besten Mountainbiker des Landes geführt und besaß einen eigenen Fahrradladen in der Nähe von Hemsley. Im letzten Jahr hatte er außerdem am Marathon in Paris teilgenommen.
    Aber obwohl er sich fürsorglich um seine Freunde gekümmert hatte, ihnen einen Unterschlupf gesucht, Feuer gemacht und versprochen hatte, sie aus dieser gottverlassenen Wildnis
noch vor dem Mittag des nächsten Tages herauszuführen, hatte Luke den Eindruck, dass Hutch sich Sorgen machte. Seit sie aus dem Obergeschoss wieder heruntergekommen waren, war er bemüht, die gute Laune und die Kameradschaft aufrechtzuerhalten. Offenbar wollte er sichergehen, dass sein Humor und sein Enthusiasmus sich trotz ihrer Pechsträhne auf Luke und die beiden dicken Kerle übertrugen. Aber Luke konnte er damit nicht täuschen. Er spürte, dass Hutch sich Sorgen machte, vielleicht sogar Angst hatte. Und das beunruhigte Luke mehr als seine eigenen wilden Spekulationen über dieses Haus und den Wald.
    Phil bewegte sich in seinem Schlafsack. »Ich bin so müde, dass ich kaum noch gucken kann, aber ich glaube nicht, dass ich hier auch nur eine Minute schlafen werde. Mein Hintern tut mir jetzt schon weh.«
    »Oben ist ein Bett, falls du eins brauchst, Phil«, schlug Hutch vor und nahm einen großen Schluck aus seinem Becher.
    Alle murmelten zustimmend vor sich hin und fanden diese Art von schrägem Humor wohl in Ordnung.
    Dom starrte ins Feuer. »Meint ihr, dass uns jemand glauben wird? Wenn wir erzählen, was wir gesehen haben?«
    »Ich hab ja Fotos gemacht«, sagte Hutch. »Hast du mal ’ne Fluppe für mich, Luke?«
    »Aber nicht von dem Ding im Baum«, sagte Dom mit so ernstem Gesicht, dass Luke zu lachen begann, während er den Arm mit einer Zigarette zwischen den Fingern ausstreckte. Auch Phil musste jetzt glucksen.
    Hutch grinste und nahm die Zigarette entgegen. »Wir können ja morgen früh dorthin zurückgehen, wenn du willst.« Er zwinkerte. »Deine Kinder hätten bestimmt gern ein paar Fotos aus jeder Perspektive.«
    »Du könntest es einrahmen«, sagte Phil und verzog süffisant das Gesicht. Seine Augen glänzten im Licht der rötlich flackernden Flammen.

    »Glaubst du, es hat irgendwas mit diesem Ort hier zu tun?« Luke schaute zur Tür, während er diese Frage in die Runde warf.
    »Ich hoffe sehr, dass das nicht der Fall ist«, sagte Phil. »Vor allem, weil wir die Nacht an einem der Orte verbringen müssen, von denen gerade die Rede ist.«
    Als sie alle über diese Bemerkung lachen mussten, spürte Luke wie sich ein warmes Gefühl von Geborgenheit und Freundschaft ausbreitete. Vielleicht sogar echter Zuneigung. Er schämte sich dafür, dass er sich vorgenommen hatte, Phil nach dieser Reise nie mehr wiederzusehen, und für seine Wutausbrüche Dom gegenüber. Sie waren alle überanstrengt und völlig aufgerieben gewesen und hatten sich dementsprechend irrational verhalten.
    »Was denkst du?«, fragte Dom.
    Luke sah zu ihm auf und kniff die Augen zusammen, weil er dies für eine sarkastische Frage hielt.
    Dom lächelte. »Ganz ohne Hintergedanken. Was denkst du darüber?«
    Luke blickte ihn überrascht an und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich meine, ich finde keine vernünftige Erklärung dafür, warum man ein Tier so ausweiden sollte, das war es ja wohl …« Die drei Gesichter, die ihn anschauten, verhärteten sich, also änderte er den Ton und versuchte, zuversichtlicher und lockerer zu klingen. »Jedenfalls hing es da im Baum, ziemlich weit oben. Ich weiß nicht viel über die Gegend hier und über die schwedische Wildnis, außer dem, was ich im Internet gelesen habe und im Reiseführer. Hutch ist doch unser Experte.«
    Hutch seufzte. »Experte würde ich nicht gerade sagen.«
    Dom nahm Hutchs Kopf in beide Hände.

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