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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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meinte.
    »Die kleinen Hände sind menschlich. Mumifiziert. Angenäht. « Hutch drehte sich zu Luke um. Seine Augen glänzten im Schein von Lukes Lampe. »Total verrückte Spinner. Kreuze an den Wänden im Erdgeschoss und eine ausgestopfte Ziege unterm Dach. Mit den angenähten Händen eines Toten. Ein einziges Durcheinander von Anspielungen. Wahnsinn. Schwedischer Wahnsinn. Das liegt an der Dunkelheit und den langen Nächten im Winter. Da dreht jeder irgendwann durch.«
    Luke wandte sich um. »Lass uns wieder runtergehen.«
    »Phil hatte Recht, das hier ist ein Bett.«
    »Du willst mich wohl verarschen.«
    Hutch schüttelte den Kopf. »Ich hab die in einem Museum in Skansen gesehen. Bei meinem ersten Besuch in Schweden. Und auch in Norwegen. Früher wurden diese kleinen Holzkästen mit Heu gefüllt und als Betten benutzt. Tagsüber machte man einen Deckel drauf und konnte es als Sitzbank benutzen. Die Leute damals müssen ziemlich ordentlich gewesen sein.«
    »Wer will sich denn in so ein Ding reinlegen?«
    »Der Typ da.« Hutch grinste und richtete seinen Lichtstrahl direkt auf das grinsende Ziegengesicht.
    »Hutch!«, ertönte die Stimme von Dom am Fuß der Treppe. »Hutch!«
    Hutch nickte Richtung Treppe. »Komm, lass uns gehen.«
    Luke musste sich dazu zwingen, auf dem Weg nach unten nicht zwei Stufen auf einmal zu nehmen.
    Hinter ihm blitzte Hutchs Kamera auf und beleuchtete seinen Rückzug.

11
    »So was kann man sich nicht ausdenken«, sagte Dom mit schwerer Zunge, als er den größten Teil des Jack Daniel’s selbst getrunken hatte. Den Whisky nippten sie aus ihren Plastikbechern, nachdem sie die Hälfte des noch übrig gebliebenen Essens verzehrt hatten: als Vorspeise Hühnersuppe mit Nudeln aus der Tüte und anschließend die letzten vier Dosen mit Würstchen und Bohnen. Zwei Müsliriegel mit Schokolade machten die Mahlzeit komplett. Aber es war nicht genug. Sie hatten die Suppe hastig geschlürft und sich die heißen Bohnen eilig einverleibt, doch sogar nachdem sie die Schüsseln ausgeleckt hatten, was sie bislang noch nie gemacht hatten, waren sie hungrig. Dieser Tag war bislang der anstrengendste gewesen, auch wenn sie eine kürzere Strecke als am Vortag zurückgelegt hatten.
    Phils nackte Füße glänzten, nachdem er sie mit einem Antiseptikum eingerieben hatte. Doms geschwollenes Knie ruhte auf Hutchs Rucksack. Pochende Schmerzen durchzuckten ihre erschöpften Muskeln, und ihr Atem ging flach vor Erschöpfung. Sie waren so erledigt, dass sie beinahe schon einschliefen, während sie ihre Schlafsäcke ausrollten. Luke hatte sich noch nie so kaputt gefühlt. Ja, er hätte niemals geahnt, dass sein Körper sich so schwer anfühlen und er derart apathisch werden könnte. Noch so einen Tag würde er vielleicht knapp überstehen – Phil
und Dom aber sahen aus, als wäre das schon ihr letzter gewesen.
    Es war noch genug Essen für einen weiteren Tag vorhanden. Und nur ein kleiner teefarbener Schluck war in der kleinen Whisky-Flasche übrig geblieben, die Dom mit sich herumschleppte, seit sie Gällivare verlassen hatten. Sie sollte eigentlich am Ufer eines herrlich blauen nordischen Sees neben einem Lagerfeuer in der rosafarbenen Abenddämmerung getrunken werden. Das war ihr Plan gewesen.
    Luke sah zu, wie Hutch das letzte Stuhlbein in den Eisenofen schob, um den sie saßen. Ein Funkenschauer stob im Innern auf, als er das Holzstück darin umdrehte. Wegen des herausquellenden Rauchs mussten sie husten. Der Schornstein war ziemlich verstopft. Die schwelenden Überreste des Stuhls zerfielen in dem kleinen Ofen zu rot glühender Asche. Nur ein Teil des Erdgeschosses wurde warm. Zugluft drang unter der Tür hindurch und aus den Ritzen des Fußbodens, und die eisige Kälte der Nacht würde sich sehr schnell wieder überall ausbreiten. Der Geruch nach feuchter Erde und verfaultem Holz lag in der Luft.
    Phil und Dom hatten den Stuhl zu Kleinholz verarbeitet, trotz Lukes Einwänden. Haben wir nicht schon genug Schwierigkeiten? Er fand es unerträglich, dass Hutch vier der Kruzifixe zum Anfeuern benutzte. Als Hutch sie auseinandernahm und zu kleinen Bündeln zusammenpresste, wandte er die Augen ab, in der Hoffnung, dadurch dem Unglück zu entgehen, das diese frevlerische Tat womöglich provozierte.
    Hutch warf Dom einen fragenden Blick zu und lehnte sich dann wieder zurück gegen die Knie seines Freundes. »Mach langsam mit dem Schnaps, Dom. Der muss für vier Leute reichen. Das ist dein letzter Schluck. Ich hab kaum

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