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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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nachmittags. Wir müssen uns beeilen, wenn wir hier rauskommen wollen, bevor die Dunkelheit hereinbricht. Ich schlage vor, wir ändern die Richtung und versuchen, den gleichen Weg zu nehmen, den wir auch in den Wald reingekommen sind.«
    »Was bedeutet, dass wir wieder an diesem verdammten Baum vorbeikommen«, sagte Dom, dessen Angst nun in Wut umschlug.
    »Und bei dem Haus«, sagte Phil, der nun völlig in sich versank und kurz davorstand, in Tränen auszubrechen. Es war deutlich an seiner Stimme zu erkennen.
    »Oder«, sagte Luke und breitete fatalistisch die Hände aus, »wir versuchen unser Glück auf der anderen Seite dieser Lichtung und ziehen es durch.«
    Dom starrte ihn an, als würde er ihn für einen absoluten Vollidioten halten. »Wie bitte sollen wir das denn ›durchziehen‹, in dem Zustand, in dem wir jetzt schon sind?«
    »Wir versuchen einfach unser Bestes. Ich kann dir eine Krücke suchen.«
    »Ich will keine verdammte Krücke. Ich will überhaupt nichts von dir!«
    Hutch schlug die Hände vors Gesicht und stöhnte laut auf. Er stöhnte weiter, bis alle aufgehört hatten zu reden. Er sagte kein Wort, hob einfach nur seinen Rucksack auf und schob die Arme durch die Tragriemen.
    »Ein neuer Versuch?«, fragte Luke in versöhnlicherem Ton.

    Hutch nickte.
    »Gut. Und falls jemand noch ein bisschen Wasser übrig hat, wäre ich ihm sehr dankbar, wenn er mir einen Schluck davon abgeben könnte.«
    »Ich hab nichts mehr«, sagte Phil und schnappte sich sein Gepäck, als hätte er Angst, die anderen könnten ihn stehen lassen.
    Hutch reichte Luke seine Wasserflasche. Sie war noch halbvoll. Das war der Rest.

26
    Hutch und Luke saßen dicht nebeneinander unter dem schmalen Vordach des Zeltes und sahen zu, wie die kleine Gasflamme um den Ring des Campingkochers zuckend vor sich hin brannte. Der Regen hatte sich mittlerweile in ein feines Nieseln verwandelt. Das graue Zwielicht der Dämmerung kündigte den Einbruch der Nacht an. Mit jeder Minute, die verging, während sie darauf warteten, dass endlich Bläschen in der Suppe aufstiegen, wurde es schwieriger ihre Füße zu erkennen oder den Ort, wo sie die Teller und Becher hingestellt hatten. Der Boden war zu feucht, um dort Feuer zu machen, triefend nass, genau wie das abgestorbene Gehölz um sie herum, das sich kaum zum Verbrennen eignete.
    Auf der anderen Seite des verlassenen Kirchhofs hatten die Birken und Weiden nicht so dicht gestanden, und auch das dornige Gestrüpp im Unterholz war dünner gewesen. Trotzdem waren sie nicht gut vorangekommen, weil die hüfthohen Farne, die aus der fetten Erde emporwuchsen, sich kilometerweit ausbreiteten, und dann ein unebener, steiniger Untergrund mit von schmierigen Flechten überzogenen Felsblöcken folgte. Es hatte beinahe eine Stunde gedauert, bis sie Dom über einige dieser Blöcke hinübergeschafft hatten. Nach der felsigen Fläche waren sie wieder in dichtes Gehölz geraten. Und die ganze Zeit, seit
sie die Kirche verlassen hatten, versperrte ihnen das dichte Blattwerk über den Köpfen den Blick auf den wassergrauen Himmel.
    Gegen sieben Uhr hatte Hutch dafür plädiert anzuhalten, weil sie nur langsam durch den Wald vorankamen. Noch immer waren eine gute Stunde, vielleicht sogar neunzig Minuten Helligkeit übrig, aber Phil und Dom waren längst schon an ihre Grenzen gestoßen. Zweimal hatte Dom sich mitten im Wald hingesetzt, schweigend, unwillig und unfähig, noch weiterzulaufen. Phils Bewegungen waren immer weniger zielgerichtet und immer unkoordinierter geworden, so als wäre er betrunken. In gewisser Weise war er das auch, er war betäubt vor Erschöpfung.
    Die allgemeine Düsternis des Waldes suggerierte ihnen die ganze Zeit, dass es schon später sein musste, als es tatsächlich war. Ständig schauten sie auf ihre Armbanduhren, hielten sie an die Ohren, um zu kontrollieren, ob sie wirklich noch tickten. Sogar schon vor vier Uhr nachmittags hatten sie unter dem Baldachin aus feuchten Blättern das Gefühl, es sei längst Abend geworden.
    Am ganzen Tag schafften sie gerade mal sechs, höchstens sieben Kilometer.
    An der Stelle, wo sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, war der Waldboden übersät mit zerbrochenen Ästen. Es war beinahe unmöglich gewesen, hier ihre Zelte zu errichten. Hinter ihnen im schwindenden Licht sahen die zusammengesunkenen Zeltplanen zerknittert aus wie herabgefallene Fallschirme. Bevor sie sie aufbauen konnten, mussten sie erst einmal den Platz säubern. Hutchs Finger waren wund,

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