Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
der Suche nach seinem eigenen Essnapf mit der Taschenlampe ins Zelt.
»Wir werden das Ganze nachher mit ein bisschen Kaffee runterspülen. «
Luke lief das Wasser im Mund zusammen. Sogar trotz des Milchpulvers, das sich nie richtig auflöste und der Zuckertütchen, die sie in dem Hotel in Kiruna hatten mitgehen lassen, machte allein der Gedanke an eine Tasse Kaffee ihn auf eine stumpfe Art irgendwie glücklich.
Sie aßen hastig und lautstark und wären beinahe in Tränen ausgebrochen, als sie die letzten Reste aus den Näpfen leckten. Ihr Geschirr war seit dem letzten Abend nicht mehr gespült worden, und sie spürten die getrockneten Essensreste des gestrigen Tages an der Zunge, als sie daran leckten wie hungrige Katzen.
»Das war beinahe das beste Essen, das ich jemals zu mir genommen
habe«, sagte Hutch, als sie fertig waren. Seine Stimme klang jetzt erleichtert und warmherziger als während des ganzen Nachmittags.
Luke überlegte, ob er etwas darüber sagen sollte, dass sie offenbar die Freude an den einfachen und wirklich wichtigen Dingen des Lebens verloren hatten. Aber dann entschied er sich dagegen. Er bezweifelte, dass irgendeiner in diesem Lager noch Interesse für das aufbringen konnte, was er sagte. Sie alle fühlten sich unbehaglich in seiner Gegenwart. Das spürte er jedes Mal, wenn er etwas sagte, und er hatte auch bemerkt, dass sie sich anspannten, als er ihnen während des Zeltaufbauens zu nahe kam. Er hatte den Großteil der Arbeit übernommen, aber seine Bemühungen waren nicht honoriert worden. Angesichts dieser Ausgrenzung wurde er wieder unruhig und spürte, wie diese eigenartige Aggressivität ihn erneut erfasste.
Er zündete sich eine Zigarette an. Und grübelte wieder darüber nach, warum er, seit sie sich vor sechs Tagen in London zusammengefunden hatten, eine Randfigur in dieser Gruppe war. Vor sechs Tagen? Es kam ihm viel länger vor. Er schaute in das Zigarettenpäckchen und verzog das Gesicht. Nur noch acht Filterzigaretten waren übrig. Danach war er auf seine Notfallpackung zum Selbstdrehen angewiesen, 12,5 Gramm Drum-Tabak. Wenn er nichts mehr zu rauchen hatte, würde er wahrscheinlich durchdrehen. Für ihn waren Zigaretten noch wichtiger als Essen.
Er seufzte. Wenn er ehrlich war, dann war etwas mit ihm passiert, als er Ende zwanzig gewesen war. Etwas, das ihn von den anderen Menschen fortgetrieben hatte, nicht nur von seinen Freunden, sondern von jeder Form des normalen Kontakts mit anderen Menschen. Er hatte bemerkt, wie die Leute sich Blicke zuwarfen, wenn er in einer Gruppe das Wort ergriff. Oder wie sie verschämt lächelten, wenn er zur Arbeit ins Büro oder ins Lager gekommen war. Er war nie länger an einem Arbeitsplatz
geblieben, hatte immer bald nach etwas Neuem gesucht, das sich dann als genauso unbefriedigend herausstellte. Einladungen von Bekannten waren immer seltener geworden und hatten kurz vor seinem zweiunddreißigsten Geburtstag ganz aufgehört. Nur angeschlagene und verunsicherte Frauen schienen sich in seiner Gesellschaft wohlzufühlen, hatten allerdings wenig Interesse an ihm abgesehen davon, dass seine Anwesenheit ihnen Kraft gab. Mit vierunddreißig war er völlig allein. Regelrecht vereinsamt.
In London und Stockholm, vor dem Beginn ihrer Tour, waren alle seine Versuche, eine Unterhaltung zu beginnen, behandelt worden wie völlig deplatzierte Kommentare. Alle bis auf Hutch hatten seine Bemühungen, mit ihnen zu reden, größtenteils ignoriert. Niemand wollte ernsthaft auf seine Gedankengänge eingehen. Meist endeten solche Versuche in peinlichem Schweigen, und die anderen drei zogen sich sehr bald auf das kameradschaftliche Geplänkel zurück, das sie sich angewöhnt hatten. Und diese Kumpelhaftigkeit zerstörte er nur, wenn er etwas sagte. Das Beste, was er tun konnte, war, einfach nur mitzumachen. So hatte er es vom Zeitpunkt ihres Abmarsches an gehalten.
Er fragte sich, wie es so weit hatte kommen können. Wieso hatte er sich so sehr von seinen Freunden entfremdet? Es verletzte ihn zutiefst. Möglicherweise lag die Ursache in etwas, das ihm zugestoßen war, nachdem er einige Zeit in London gelebt hatte. Er wusste ja, dass die Stadt jeden verändert, der erst einmal eine Weile dort lebt. Aber vielleicht litt er auch einfach an einer grundlegenden Unfähigkeit, sich anderen Leuten anvertrauen zu können, ein Problem, das er schon seit seiner Jugend hatte. Er kam zu keinem Ergebnis, und das Nachgrübeln und Analysieren machte ihn jetzt nur noch
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