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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Weiße in den Augen waren in der Dunkelheit in seinem schmutzigen Gesicht zu sehen. Er sah ziemlich krank aus, wie er da in dem kaputten Boden stand. Sein Gesicht war zerfurcht und schlaff vor Erschöpfung. Was auch immer er da entdeckt hatte, schien die letzten Reste des angesichts ihres spannenden Funds gerade wieder aufgeflammten Optimismus abgewürgt zu haben. »Großer Gott. Ich weiß echt nicht mehr, was ich davon halten soll.«
    Luke schob sich vorsichtig wieder über den morschen Boden ins Innere des Gebäudes. »Was denn? Was ist da?«
    »Ich weiß wirklich nicht, ob ich das anfassen sollte.«
    Luke stützte sich auf die Lehnen der noch heilen Bänke und beugte sich zögernd vor, um in das Loch zu schauen, in dem Hutch stand. Um Hutchs Füße lagen jede Menge großer feuchter Blätter, die sich in dem dämmrigen Licht zu einer einzigen braunen Masse vereinten. Außerdem waren dort unten noch andere Dinge zu sehen, die Hutch teilweise unter den Blättern freigelegt hatte. Es sah aus, als lägen da noch viel mehr verrottete Äste und Zweige, feucht, dunkel und verfault. »Was denn? Was ist das da unten, Hutch?«
    Hutch hob den Kopf. »Sterbliche Überreste. Von Menschen.«
    »Ist das die Krypta?« Luke konnte kaum seine eigene Stimme hören und musste schlucken, die Worte kamen nur brüchig und leise über seine Lippen.
    Hutch schüttelte den Kopf. »Die sind nicht begraben worden. Da sind keine Särge. Die wurden einfach nur reingeworfen. Sind alle kaputt. Alle Schädel sind eingeschlagen.«
    »Oh nein, Scheiße.«

    Hutch bückte sich und hob etwas auf. Instinktiv rief Luke aus: »Fass es nicht an!«
    Hutch hob es hoch, um es im trüben Licht zu betrachten. Draußen fiel der Regen immer dichter. »Das hier ist von einem Tier.« Er hielt eine längliche Rippe nach oben. Dann ließ er sie fallen und schlug die Hände zusammen, als wollte er sie auf diese Weise vom Schmutz befreien. Er beugte sich wieder hinab, suchte in dem feuchten schwarzen Dreck unter seinen Füßen herum. »Ein Unterkiefer. Drei Wirbelknochen. Noch ein Haufen Rippen. Vielleicht von einem Pferd. Oder einem Elch. Keine Ahnung.« Er bückte sich erneut in die Gruft. »Aber alles vermischt mit solchen Sachen hier.« Das Nächste, was er hoch hielt, war ein menschlicher Brustkorb. Ein Arm löste sich geräuschlos ab, als er das Ding aus dem Blätterhaufen zog. Die blassbraune Farbe war verstörend. Es sah viel jünger aus als die Tierknochen. »Und das.« Er hob einen Menschenschädel hoch, dessen Kiefer längst abgefallen war. Die obere Zahnreihe war schwarz, die Hälfte der Schädeldecke eingeschlagen. Er ließ ihn fallen und rieb sich heftig die Hände an den Hosenbeinen ab.
    »Menschliche Überreste und tierische Überreste zusammengeworfen. Ziemlich grausig das Ganze. Und die sind nicht alle alt. Ich meine, die liegen hier schon ein paar hundert Jahre, aber manche sind wesentlich älter als andere.« Er sprach jetzt mehr mit sich selbst und war sich der Anspannung von Luke nicht bewusst, der gebannt neben ihm stand. Es schien so, als wollte er, indem er laut sprach, eine befriedigende Erklärung für dies alles finden, obwohl es eindeutig auf etwas ziemlich Übles hindeutete. Beide zitterten jetzt trotz ihrer wetterfesten Kleidung. Und es waren nicht nur der Regen und die Kälte, die sie erschauern ließen.
    Luke war nicht mehr in der Lage zu schlucken. Und was ihn noch viel mehr entsetzte als alles, was sie erlebt hatten, seit sie sich verirrt hatten, war die Erkenntnis, dass an diesem Ort der
Unterschied zwischen Mensch und Tier aufgehoben worden war.
    »Hier sind auch Kinderknochen.«
    »Um Himmels willen, Hutch!«
    Hutch seufzte und schob mit dem Fuß den feuchten, schwarzen Unrat beiseite.

25
    Sie hockten sich alle um Phil herum und sahen ihn an. Der Regen fiel stetig aus dem sich verdüsternden Himmel und prasselte monoton auf ihre Jacken und Rucksäcke. Phil sah furchtbar blass aus und erschauerte immer wieder. Er schob die Hände unter die Achseln, um sich warm zu halten. Er warf einen Blick über die Schulter. »Es ist hier. Es folgt uns.«
    Hutch und Luke schauten einander an, dann wieder auf Phil. Luke inhalierte tief und blies den Zigarettenrauch in die feuchte Luft. »Was denn?«
    Doms Augen weiteten sich und wirkten in seinem fleckigen und verschorften Gesicht viel zu groß. »Wovon zum Teufel redest du da eigentlich?«
    Phil schluckte. »Ich hab’s gesehen …«
    Hutch stöhnte laut auf und ließ sich auf die Knie fallen.

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