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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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blickten verstört drein.
    Phil war jetzt ebenfalls auf den Beinen. Sein Haar stand auf der einen Seite vom Kopf ab wie ein Fächer.
    »Wo zum Teufel ist Hutch?«, stieß Dom atemlos hervor. Er schaute Luke an, dann Phil, dann wieder Luke. »Wo zum Teufel ist er denn?«

30
    Zwei Stunden nachdem sie aufgewacht waren, kamen sie zum Zeltplatz zurück. Über dem Wald, jedenfalls da, wo sie überhaupt etwas erkennen konnten, war der Himmel nun indigofarben.
    Keiner sagte etwas, sie standen unter Schock. Sie waren wie betäubt vor Angst angesichts des irrwitzigen, grauenhaften Geschehens, das sie nun verarbeiten und dann irgendwie akzeptieren mussten. Es hatte sich etwas ereignet, das bald ihre Gedanken und Gefühle beherrschen würde, wenn sie zu müde waren, um es zu unterdrücken, oder wenn es sie ungeschützt erwischte. Etwas Unmögliches, etwas Überwältigendes, etwas Vernichtendes.
    Jeder von ihnen hatte mehr als hundertmal nach ihm gerufen. Sie waren humpelnd herumgeirrt wie aufgescheuchte Tiere, hatten mit ihren Taschenlampen wild in der Gegend herumgeleuchtet und versucht, im triefend nassen, undurchdringlichen Wald etwas zu erkennen. Jedes Mal, wenn auch nur ein schwacher Laut oder das weit entfernte Kreischen eines Vogels zu hören gewesen war, hatten sie gebannt gehorcht, bis sie völlig benommen waren, von Schmerzen übermannt und erschöpft von den Ängsten, die sie ständig überkamen. Niemand antwortete auf ihre Rufe. Rufe, die zunächst noch schrill geklungen hatten, dann verzweifelt, schließlich nur noch heiser und so schwach, dass sie das Dickicht kaum mehr zu durchdringen vermochten.

    »Hutch!«
    »He, Kumpel!«
    »Hutch!«
    »He!«
    Es war zu dunkel gewesen, um anhand der Spuren erkennen zu können, dass er nie mehr wiederkehren würde.
    Aber Hutch war verschwunden, und nichts war ihnen von ihm geblieben außer dem Blut, das nun dunkel und dick geworden war inmitten des zusammengebrochenen Zeltes.
    »Könnt ihr das andere Zelt abbauen?«, fragte Luke und brach damit ein langes Schweigen. Seine Stimme klang flach und sogar in seinen eigenen Ohren wie aus weiter Ferne. »Und zusammenpacken. Außerdem euer Gepäck. Wir müssen sofort losgehen, sobald es ein bisschen hell geworden ist.«
    Dom und Phil starrten ihn verwirrt an. Sie waren entsetzt und wütend auf ihn, gleichzeitig aber apathisch und kraftlos. Sie konnten nur noch vor sich hinstarren, sonst nichts. Luke versuchte zu erklären, was er meinte: »Ich habe schon alles fertig. Die Karte. Ich muss mich orientieren können.« Er warf einen Blick auf das zerstörte Zelt. »Vielleicht sollten wir Hutchs Sachen auch zusammensuchen.«
    Es war jetzt vier Uhr morgens. Um zwei Uhr waren sie geweckt worden. Aber immerhin hatten sie alle schon um elf Uhr in ihren Schlafsäcken gelegen und somit einige Stunden Schlaf bekommen. Das war zwar nicht genug, um sich von den Anstrengungen des Vortags zu erholen, überlegte Luke, aber für den Vormittag sollte die Kraft reichen. Das waren die wichtigsten Stunden des bevorstehenden Marschs. Luke wusste, dass sie den Waldrand noch am Vormittag erreichen mussten, spätestens gegen Mittag. Danach würden Doms Knieprobleme ihre Geschwindigkeit drosseln, und sie würden zweifellos nicht mehr als zwei oder drei Kilometer bis zur Abenddämmerung zurücklegen.

    »Was?«, sagte Dom schließlich wie vor den Kopf gestoßen.
    »Seine Taschenlampe. Sein Messer. Das, was wir noch gebrauchen können. Er hatte auch Energieriegel in seiner Tasche.«
    Dom warf Phil einen bösen Blick zu. Dann hob er beide Arme und ließ sie geräuschvoll wieder auf die Oberschenkel herabfallen. »Wir gehen nirgendwohin, bevor wir ihn nicht gefunden haben.«
    Luke sah zu Boden und seufzte laut auf.
    »Was schlägst du uns denn da vor?«, rief Dom aus. »Dass wir einfach weggehen. Und sein Gepäck plündern?« Seine Stimme zitterte, so überwältigt war er von den eigenen Emotionen.
    Phil schaute sich das kaputte Zelt an. Das Blut, das sich dort gesammelt hatte, sah im schwachen Licht einer einzelnen Lampe jetzt klebrig und ölig aus, irgendwie unheilverkündend und fehl am Platz. Und es war noch viel mehr davon zu sehen, wenn man mit der Lampe unter die Plane leuchtete, was Phil jetzt tat.
    »O Gott, Hutch.« Phil hockte sich hin und vergrub das Gesicht in den Händen. Jetzt endlich hatte er es verstanden.
    Als er Phils verzweifelten Ausruf hörte, spürte Luke einen Kloß im Hals. Er hörte nicht mehr auf das, was Dom sagte, sondern schloss die

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