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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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mich vermissen. Ich schätze, am ehesten wird sich noch meine Mitbewohnerin Sorgen machen, dabei habe ich mit der kaum was zu tun. Oder … warte mal … die Fluggesellschaft vielleicht. Aber andererseits … hat das nichts zu sagen. Dass jemand seinen Flug verpasst, kommt
doch andauernd vor. Deshalb rufen die doch nicht gleich die Feuerwehr. Wir haben unsere Plätze doch längst bezahlt, also haben sie das Geld schon und müssen sich um nichts weiter kümmern.« Er stellte sich vor, wie eine schwedische Flughafenangestellte in Stockholm seinen Namen über die Lautsprecher ausrief. Das würde dann wahrscheinlich für lange Zeit das letzte Mal sein, dass sein Name jenseits dieses Waldes ausgesprochen wurde.
    »Bei mir dürfte es ungefähr vier oder fünf Tage dauern«, sagte Dom. Er bezog sich damit sicherlich auf seine Familie. Aber in vier Tagen wäre es längst zu spät. »Und was ist mit dir, Phil?«, fragte Dom.
    Phil drehte sich nicht mal um. Er schaute noch immer in den Wald und ließ das Licht seiner Taschenlampe über die Bäume gleiten, als würde er Wache stehen. »Was?«
    »Wie lange?«
    »Hm?«
    »Wie lange würde es dauern, ehe jemand sich um dich Sorgen macht, weil du nicht zurückkommst?«
    »Michelle würde sich einen Scheiß darum …« Er hielt inne. »Vielleicht bei der Arbeit. Ich habe nächsten Montag einen Termin mit der Bank. Vielleicht …« Er schien sich in Gedanken zu verlieren, welche das auch immer waren.
    Dom seufzte frustriert und hob dann plötzlich beide Hände. »Die Herberge. Die Herberge, wo wir heute Abend übernachten sollten. Hutch hat uns dort angemeldet. Er hat ihnen auch mitgeteilt, von wo wir kommen.«
    »Stimmt«, sagte Luke mit dünner Stimme. »Wenn wir nicht aufkreuzen, werden sie vielleicht auf seinem Handy anrufen. Wenn es dort überhaupt Empfang gibt. Aber in solchen Herbergen bleiben doch ständig angemeldete Gäste aus. Sie ändern ihre Pläne, nehmen ein besseres Angebot wahr. Oder sonst was.«
    »Und die Waldhüter?«

    »Hutch hat die Stelle in Porjus nie informiert. Er sagte, das macht man nur im Winter.«
    »Scheiße!« Dom stieß seinen heilen Fuß auf den Boden. Phil suchte weiter den Waldrand mit der Taschenlampe ab.
    Luke zündete sich eine Zigarette an. Es war seine vierte Selbstgedrehte seit dem Aufstehen. Er blinzelte durch den Rauch. »Hutchs Frau. Angie wird doch erwarten, dass er sie anruft, sobald wir irgendwo sind, wo es Empfang gibt. Das ist die sicherste Möglichkeit.«
    Dom zuckte mit den Schultern. »Das könnte sein. Dann müssen wir es ihr erzählen. O Mann.«
    »Kommt jetzt, vergesst das erstmal. Wir müssen weiter. Jetzt. Wir müssen laufen, als würde unser Leben davon abhängen. Denn genau so ist es.«

32
    Dann fanden sie Hutchs Leiche, die unter einem Baum hing. Genau in der gleichen Art wie das Tier vor zwei Tagen.
    Luke drehte sich um und rief: »Seht nicht hin! Seht nicht hin!«, als wollte er Kinder vor dem Anblick schützen. Und genau das ließ Phil und Dom neugierig aufblicken wie Kinder.
    Dom fiel gegen den neben ihm stehenden Baumstamm. »O Gott, o Gott!«, schrie er in die feuchte Luft.
    Ohne ein Wort zu sagen, ging Phil den Weg, den sie gekommen waren, wieder zurück. Nach sechs oder sieben Metern hielt er an und fing an zu zittern. Dann beugte er sich vor und erbrach sich. Luke sah wie etwas Weißes, Flüssiges aus seinem Mund tropfte, dann wandte er sich ab und hörte wie Phils Mageninhalt auf den Boden spritzte. Luke schaute hinauf zu Hutch.
    Er war splitternackt. Nirgendwo waren Kleider zu sehen. Sein Oberkörper war aufgerissen, und man sah die Innereien, die schwarz von getrocknetem Blut waren. Seine bleichen Beinmuskeln waren mit bräunlichen Flecken verschmiert. Die Füße hingen etwa in Höhe des Kopfes in der Luft. Seine Augen waren weit aufgerissen, ebenso der Mund mit der angeschwollenen Zunge. Sein Gesichtsausdruck spiegelte mildes Erstaunen wider, aber das Gesicht war aschfahl und ohne jede Spur von Leben.
Es sah aus, als würde er nicht weit entfernt etwas betrachten, das ihn in seinen Bann zog.
    Nichts an seinem Körper schien den bestialischen Angriff überstanden zu haben. Der größte Teil einer Schulter und der angrenzende Bizeps waren bis auf den Knochen abgenagt. Er war zwischen zwei abgestorbenen Baumstämmen eingekeilt, sein Gewicht wurde von zwei Ästen gehalten, die unter den Achseln hindurchführten.
    Es erweckte den Anschein, als hätte man ihn gekreuzigt und so positioniert, dass sie ihn sofort

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