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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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lang sowieso immer mit dem Schlimmsten gerechnet hatte.
    »Ich hing irgendwo fest«, sagte Luke. »Und etwas jagte hinter mir her.« Wie bei einer Vorahnung, wollte er noch sagen. »Es war total realistisch. Lebendig, versteht ihr? Und Hutch. Ich hab ihn auf dem Dachboden gefunden. Er schlafwandelte. Auch er hatte etwas Grässliches gesehen. Etwas, das ihm in seinem Traum erschienen war.« Dom versuchte wegzuhören. Luke hob beide Hände, um zu unterstreichen, was er gerade sagte. »Wir sind in dieser Hütte völlig aus der Fassung geraten. Und als es dann hell wurde, haben wir uns nicht getraut, uns damit auseinanderzusetzen. « Er hielt inne und sah Dom an. »Du wolltest es nicht. Und du versuchst immer noch, so zu tun, als würde hier nichts Schlimmes vor sich gehen. Scheiß drauf, Mann! Wir müssen uns den Tatsachen stellen. Und zwar jetzt, sofort.« Luke warf Phil einen Blick zu und nickte bekräftigend.
    Phil schluckte. Holte tief Luft. »Sie haben Menschen geopfert, glaube ich. In diesem Haus. Irgendeiner Kreatur. Vor langer Zeit muss das gewesen sein.«
    Luke nickte. »Als diese Kirche noch besucht wurde und der Friedhof noch nicht überwuchert war. Die Leichen im Keller der Kapelle waren alle in einem sehr üblen Zustand. Die sind ermordet worden.«
    Phil hob den Kopf und schaute zu dem Stückchen Himmel, das über dem Blätterdach sichtbar war. »Sie haben sie aufgehängt. Für dieses Ding in den Baum gebunden. Ich glaube, es war damals viel jünger. Aber es ist immer noch da. Sie sind
verschwunden. Die alten Menschen, die ich in meinen Träumen gesehen habe. Die es … gefüttert haben. Aber es ist immer noch hier.«
    Dom starrte schweigend in den Wald.

34
    »Da komm ich nie rüber.« Unter den Schmutzschlieren in Doms Gesicht war die knallrote Haut zu erkennen. Er lehnte mit der Schulter gegen einen Baum, nachdem er seine behelfsmäßige Krücke in den Boden gerammt hatte, um sich darauf abzustützen. Die Krücke war ein abgebrochener Ast, der genau die richtige Länge hatte und dick genug war, um ihn tragen zu können. Er hatte sogar eine Gabelung, die er sich unter die Achsel schieben konnte. Es war der dritte Versuch, ihm eine Gehhilfe zu verschaffen. Die ersten beiden Stöcke hatten sich ziemlich bald als ungeeignet herausgestellt. Luke hatte die Äste im Gestrüpp gefunden, nachdem sie den schrecklichen Ort verlassen hatten, wo Hutch in den Baum gehängt worden war.
    Luke setzte sich auf einen breiten Stein am Rand der Schlucht, warf den Packen mit dem Zelt auf die eine Seite und ließ die beiden Rucksäcke, die er getragen hatte, zu Boden fallen. Phil blieb hinter ihm stehen, beugte sich vor und stemmte die Arme auf die Knie. Er war erschöpft und enttäuscht. Sein Atem drang pfeifend durch den geöffneten Mund.
    »Wann können wir denn endlich eine Pause machen?«, sagte Dom mehr zu sich selbst.
    »Nimm eine Dosis aus deinem Inhalator, Alter«, sagte Luke zu Phil, ohne ihn anzusehen. »Du klingst grauenhaft.«

    Phil suchte in den Taschen seiner Regenjacke danach.
    Nachdem sie dicht hintereinander durch enges Gestrüpp gewandert und schließlich auf steinigen Grund gekommen waren, der sie eine Erhebung hinaufführte, waren sie aus den Bäumen herausgetreten und blickten nun auf ein Tal, das von steilen Hängen begrenzt wurde. Und Luke spürte wieder diese vertraute Angst. Ein Gefühl vollkommener Ohnmacht bemächtigte sich seiner Gedanken, und nun kam es ihm so vor, als wäre es ohnehin ausgemacht, dass sie hier draußen sterben würden.
    Vor ihnen lag ein von großen Felsbrocken übersäter Abhang, der in eine Art Schlucht führte. Die sichtbaren Seiten der Felsen waren mit gelblich-grünen Flechten überwuchert. Am Fuß der Schlucht breitete sich ein Wald aus schlanken hohen Büschen aus, deren gummiartige, wie Schirme wirkende Blätter die dreißig Meter bis zur anderen Seite ausfüllten, wo man über eine Geröllhalde wieder nach oben steigen konnte, um die feuchte, von Kiefern und Farnen bedeckte Ebene gegenüber zu erreichen. Sumpfgebiet. Luke schaute auf die Uhr. Es war ein Uhr mittags.
    Weiches, sanftes Licht fiel in die Schlucht. So viel Licht hatten sie nicht mehr gesehen, seit sie gestern den Friedhof unter dem blassgrauen Himmel verlassen hatten. Durch das Licht hindurch fiel der Regen auch weiterhin stetig, die Luft war kühl und frisch. So wie er jetzt auf die Felsbrocken prasselte, gerade und mit wachsender Intensität und Lautstärke, war klar, dass er bald noch heftiger werden

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