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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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um das zu wissen.
    »Das Problem ist«, sagte Luke und vermied es dabei, Dom in die Augen zu sehen, »dass wir nicht wissen, wie viel Wegstrecke wir überhaupt zurückgelegt haben in den drei Tagen, seit wir in den Wald geraten sind.«
    Dom seufzte und schüttelte den Kopf. Es wirkte irgendwie anklagend, und Luke fühlte sich auf einmal in der Defensive. »Aber immerhin gehen wir in die richtige Richtung.«
    »Aber wie lange soll das denn noch dauern? Wir hätten hier schon vorgestern wieder rauskommen müssen, auf der anderen Seite des Walds. Dieser Teil hier ist auf dem Plan nicht so breit eingezeichnet.« Dom fuhr mit seinen schmutzigen Fingern über das Papier. Seine Augen fuhren verzweifelt über die Farben, Schattierungen und gepunkteten Linien, in der Hoffnung, sie könnten ihm ganz plötzlich offenbaren, an welcher Stelle sie sich gerade befanden.
    Aber es war nun wirklich kein kleines Stück Wald. An manchen Stellen war der Urwald gut fünfzig Kilometer breit und nach dem, was sie bislang gesehen hatten, zweifellos undurchdringlich und kaum zu bewältigen. Es war Hutchs Idee gewesen, sich einfach direkt in westlicher Richtung hindurchzuarbeiten, dort, wo der Wald am schmalsten war. Das waren laut Karte
nicht mehr als zehn Kilometer. Aber Luke fragte sich, ob sie nicht längst von der ursprünglichen Route abgekommen waren, die Hutch ihnen ausgesucht hatte, als sie dem alten Trampelpfad zur Kirche gefolgt waren. Außerdem hatten sie immer wieder Hindernissen oder dem undurchdringlichen Gestrüpp ausweichen müssen, waren zu verschiedenen Zeitpunkten mal nach Westen, mal nach Osten oder nordwestlich und auch nordöstlich gegangen. Den vorherigen Tag waren sie die meiste Zeit nach Westen gelaufen, auch mal nach Nordwesten, so hatte es der Kompass angezeigt, anstatt sich nach Südwesten zu wenden und dann direkt nach Süden in jene Richtung, wo Hutch das Ende des Waldes vermutet hatte, dort wo sich der Fluss befand. Das war der Plan gewesen. Aber nun war Hutch nicht mehr bei ihnen, und Luke hatte sie seit heute Morgen nach Süden dirigiert, damit sie den schmalsten Teil des Waldes auf keinen Fall verpassten. Was alles prima wäre, wenn sie sich tatsächlich da befunden hätten, wo er sie vermutete. Aber wenn sie am Vortag zu weit nach Westen und somit in den breiteren Bereich des Waldes geraten waren, dann lagen nun dreißig Kilometer anstrengendes Terrain vor ihnen und ein Wald, der so alt und dunkel war, dass das Sonnenlicht kaum bis zum Erdboden vordrang. Wenn sie noch weiter nach Westen gingen, würden sie in Norwegen landen. Dann wäre ihre Situation genau die gleiche, wie wenn sie gestern nicht weit genug nach Südwesten vorgedrungen waren. In diesem Fall würde der Weg nach Süden, den sie heute Morgen eingeschlagen hatten, bedeuten, dass sie noch weiter in die Wildnis im Osten reingeraten waren. Sie würden drei Tage brauchen, um durch das wesentlich breitere und dichtere Waldgebiet auf der einen oder anderen Seite des schmaleren Bereichs zu kommen, in dem sie sich voller Hoffnung gesehen hatten. Natürlich nur, wenn sie wirklich fit gewesen wären. Er selbst, wenn er allein gewesen wäre, hätte zwei, vielleicht auch drei Nächte im Wald verbringen müssen, ohne etwas zu essen. Aber
mit den anderen beiden, die ja verletzt waren … Luke spürte, wie ihm übel und schwindelig wurde.
    »Ich frage mich, was ist, wenn wir dieses verdammte Loch da überqueren, und dann kommt auf der anderen Seite gleich wieder eins. Was dann?«
    Darüber hatte Luke noch gar nicht nachgedacht, aber Dom hatte nicht Unrecht, das war durchaus eine Möglichkeit. Bestimmte Strukturen wiederholten sich oftmals in einer Landschaft, nur manchmal waren es einzigartige Anomalien. Auf der Landkarte waren viele Sumpfgebiete zu erkennen, auch auf beiden Seiten des schmalen Waldbandes. Der Wald wirkte wie ein Trichter, wie eine Falle. Wer dumm genug war und versuchte, eine Abkürzung hindurch zu nehmen, weil er hoffte auf diese Weise die Feuchtgebiete zu umgehen, ging in die Irre. Der Gedanke daran nahm ihm seine letzten Kräfte. Er stellte sich ihre Lage aus der Vogelperspektive vor und sah sich vor einer Schlucht, hinter der eine ganze Reihe ähnlicher Vertiefungen folgten, parallel zueinander und viele Kilometer lang. Das würde ihr Ende bedeuten.
    Luke vertilgte seinen Energieriegel in zwei Bissen und verspürte große Lust, noch einen zweiten zu essen. Die anderen beiden hatten den zweiten schon verzehrt, jeder von ihnen hatte also

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