Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
Vom Netzwerk:
sehen konnten, wenn sie zwischen den Bäumen hindurchkamen.
    In Lukes Stirn pochte es heftig und seine Körpertemperatur senkte sich auf das Niveau seiner eiskalten Zehen. Sein Blick trübte sich, und weiße Blitze durchzuckten sein Sichtfeld. Er dachte, er würde jeden Moment in Ohnmacht fallen. Die Muskeln in seinem Gesicht vibrierten, vor allem um den Mund herum. Er konnte nichts tun, um diese Bewegungen zu unterdrücken.
    Dann wurde es in seinem Kopf mit einem Mal glasklar, und ein einziger Gedanke traf ihn wie ein brutaler Schlag mitten ins Gesicht: Wie konnte Hutchs Mörder wissen, welchen Weg sie nehmen würden?
    Drei Stunden lang waren sie auf der einfachsten Route nach Süden gegangen, mitten durch den Wald, immer dort lang, wo das Unterholz und das Gestrüpp am wenigsten dicht waren. So waren sie hierhergelangt. Das bedeutete, dass sie die ganze Zeit beobachtet wurden und dass Hutchs Leiche erst wenige Minuten vor ihrer Ankunft eilig an dieser Stelle platziert worden war: Etwas Starkes, das gut klettern konnte, musste ihnen den Kadaver dort präsentiert haben.
    Kaum hatte Luke diesen Gedanken gefasst, ertönte in dem uralten verlassenen Gehölz um sie herum ein Bellen, das vielleicht auch ein Husten gewesen sein konnte. Ein bestialischer
Laut, den er und Hutch gestern Abend schon vernommen hatten, als sie vor dem Campingkocher gesessen hatten.
    Luke drehte sich hastig um, in wilder Panik suchte er die Umgebung ab, ohne auch nur einen einzigen festen Punkt in dem Gewirr der Bäume ausmachen zu können. Er warf den Rucksack zu Boden und suchte in seiner Tasche hektisch nach dem Messer.
    Dom sprang von dem Baum zurück und taumelte vor Schmerz herum, weil er mit dem ganzen Körpergewicht auf sein Knie gefallen war. Unter dem bräunlichen Schmutzfilm war sein verschorftes Gesicht eine einzige bleiche Maske der Angst und des Schmerzes.
    Phil arbeitete sich durch das Unterholz zurück zu den beiden, stolperte und fiel auf Hände und Knie. Er erhob sich und stöhnte laut und animalisch vor sich hin, bevor er ausrief: »Scheiße, Scheiße, oh Scheiße!« Dann beschrieb er einen Kreis, unbeholfen und ziellos, während sein Rucksack lose am Ellbogen hing.
    »Messer!«, rief Luke Dom zu und hielt dabei sein eigenes Taschenmesser so weit es ging in die Höhe. Dom suchte panisch in den Taschen seiner Regenjacke.
    Jetzt kam das Bellen aus einer anderen Richtung, offenbar ein Stückchen näher und irgendwo hinter ihnen. Phil versuchte angestrengt, durch das Gestrüpp hindurch etwas zu erkennen. Das rohe Bellen ging in heftiges Schnauben über, dann zu einem Geräusch, das klang wie das Heulen eines Schakals, wenn er seine schwarzen Lippen bleckt, so wie man es in einschlägigen Fernsehdokumentationen vorgeführt bekam.
    Luke lief auf das Geräusch zu, sein Atem ging so heftig und sein Blut rauschte so laut in seinen Ohren, dass er kaum in der Lage war, etwas anderes zu hören. Jeder Muskel seines Körpers wurde plötzlich von einer warmen Energie durchströmt, er ging eilig voran, wich den im Weg stehenden Bäumen geschickt aus, spürte, wie er leichtfüßig vorankam, und hielt das Messer so fest in der Hand, dass sein ganzer Arm sich taub anfühlte.

    Aus dieser irrwitzigen Euphorie heraus, die ihn vorantrieb, um etwas zu erstechen und zu zerhacken, aufzuschlitzen und anzubrüllen, ohne überhaupt zu denken oder sich um irgendetwas außer seinem Mordtrieb zu kümmern, hörte er weit entfernt die Stimmen von Dom und Phil, die nach ihm riefen. Sie brachten ihn wieder zu sich selbst, und er verlor seinen Antrieb, als er anfing an seinem Tun zu zweifeln. Aber dann wurde er wieder von dieser maßlosen Wut erfasst, und er brüllte los, um seinen Platz zu behaupten, den Raum, den er brauchte, um in eine Konfrontation zu gehen, egal womit. »Komm schon! Komm schon!«
    Er hielt an und ging in die Hocke. Drehte sich ruckartig um die eigene Achse und warf forschende Blicke in den lichter gewordenen Wald, während er einen pochenden Druck hinter seiner Stirn spürte. Er wollte es sehen. Wollte sich ihm nähern. Er biss die Zähne zusammen. »Komm her!« Dann hob er den Kopf und streckte die Brust heraus. »Na los, komm schon!«
    Im Wald blieb es ruhig. Kein Vogel zwitscherte oder gab einen anderen Laut von sich. Das Leben hielt inne.
    Irgendwo rechts neben ihm knackte ein Zweig, und der Ton schien sich kilometerweit im Wald fortzusetzen.
    Luke wandte sich dem Geräusch zu, senkte den Kopf, spannte die Schultern an. Dann sprintete

Weitere Kostenlose Bücher