Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
Uhr.
Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und blickte erneut die Anhöhe hinauf. Dunkle Tannen und Fichten reckten sich auf dem Gipfel zwischen den weißen Stämmen der Birken und Weiden in die Höhe. Eine einzelne Kiefer ragte aus den umliegenden Bäumen einsam heraus. Die Anhöhe war mit Geröll
übersät, mit grauen moosbewachsenen Steinbrocken. Von dort oben würde man einen guten Blick über die weitere Umgebung haben. Vielleicht konnte er sogar die Kiefer hinaufklettern und über den ganzen Wald blicken. Ein Gefühl dafür bekommen, wo sie sich eigentlich befanden. Dort oben wäre es auch einfacher, sich zu verteidigen. Wenn man ein Feuer entfachte, würde der Rauch vom Wind weit fortgetragen. Und dort oben auf dem Hügel konnte man aus der Luft gesehen werden. Darauf läuft es also hinaus, dachte er bei sich.
Der Hügel war zu einer fixen Idee geworden, nachdem er ihn immer wieder zwischen den Bäumen vor sich gesehen hatte, immer dann, wenn sie felsigen Untergrund erreichten, nachdem sie eine Weile über sumpfiges Gebiet gewandert waren. Die ganze Zeit über hatte er sich darauf konzentriert, diese Anhöhe zu erreichen. Er bezweifelte,dass sie mehr als fünf Kilometer zurückgelegt hatten, seit sie vor drei Stunden die Schlucht durchquert hatten. Da sie ständig rasten mussten, war wertvolle Zeit verstrichen.
Immerhin hatte der Regen nachgelassen. Nachdem sie fast zwei Stunden lang unter heftigem Dauerregen gelitten hatten, war nur ein leichtes Nieseln übrig geblieben. Sie hatten versucht, unter großen Bäumen Schutz zu suchen, aber der Effekt war nur gewesen, dass sie schweigend dasaßen und weiter nass wurden. Dann fingen sie an vor Kälte zu zittern, und ihre Finger wurden taub. Da sie keine Möglichkeit hatten, ihre Kleider zu trocknen, konnte Luke den anderen klarmachen, dass es besser war zu laufen, als sitzen zu bleiben. Damit ihnen wenigstens ein bisschen warm wurde. Seine Begleiter hatten schweigend zugestimmt und waren gleichzeitig aufgestanden. Und dann waren sie monoton vor sich hin getrabt, über den feindseligen Waldboden, bis sie den felsigen Hügel erreichten.
Sie kamen gerade mal vier oder fünf Kilometer pro Tag voran. Das war nicht gut. Das war überhaupt nicht gut.
Es war unvermeidlich, dass sie eine weitere Nacht hier draußen
verbrachten. Wenn sie weiterhin zusammenblieben und in Doms Tempo dahinschlurften, während Luke den größten Teil des Gepäcks trug, würden sie nie mehr aus dem Wald kommen. Aber sie konnten den Hügel hinaufsteigen und dort ihr Lager aufschlagen. Vielleicht würden sie halbwegs trockene alte Äste im Unterholz finden und konnten sogar ein Feuer anmachen. Sich bis zum nächsten Morgen daneben ausruhen. Und dann würde er sich allein auf den Weg machen und seine letzten Kräfte dazu nutzen, herauszukommen und Hilfe zu holen. Jedenfalls war es ein sehr guter Ort, um Phil und Dom zurückzulassen. Dort oben würden sie diese Idee vielleicht eher akzeptieren.
Wie sollte er es ihnen beibringen? Er würde es ihnen gleich als Erstes am nächsten Morgen erklären, wenn sie ausgeruht waren und noch in der Lage, klar zu denken. Es gab sowieso nicht mehr dazu zu sagen als dies: Er musste von hier aus allein weitergehen.
Luke beugte sich vor, er stand dicht vor den anderen beiden. Kniff erschöpft die Augen zusammen. »Okay, okay.« Dann räkelte er sich noch einmal, nahm einen Schluck von dem sumpfig schmeckenden Wasser in seiner Trinkflasche und sagte: »Da hoch. Wir campieren dort. Machen ein Feuer.«
»Ich kann nicht«, sagte Dom und streckte sich auf einem der nassen Felsbrocken aus. Dann schloss er die Augen, winzige Wassertropfen setzten sich auf sein Gesicht.
Luke seufzte. »Ich bring das Gepäck hoch und schau mich dort um. Ihr beiden ruht euch solange aus. Bleibt zusammen.«
Mühsam streckte er seine Arme durch die Riemen der Rucksäcke. Als er den einen vor der Brust und den anderen auf dem Rücken hatte und die wunden Stellen wieder spürte, die er sich während des Tages zugezogen hatte, stellte er fest, dass er sich nicht mehr bücken konnte, um das Zelt hochzuheben. Phil schlurfte zu ihm, hob das Zelt auf und schlang die Trageschlaufe über seine rechte Hand. Luke nickte und machte sich auf den Weg nach oben.
36
Sie saßen neben dem halb aufgebauten Zelt. Luke starrte seine kalten geröteten Hände an und versuchte, seine Übelkeit zu überwinden. Sein ganzer Körper bebte, sein Magen brannte. Die Zeltstangen durch die vorgesehenen
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