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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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weiteres Streitgespräch würde er jetzt nicht durchstehen.
    Eins nach dem anderen. Erst einmal musste der Kocher angeworfen werden. Ein heißes Getränk würde ihnen guttun. Phil musste dazu gebracht werden, Feuerholz zu sammeln. Sie brauchten so viele trockene Äste, wie er nur finden konnte. Luke würde währenddessen auf den Baum klettern und die Umgebung
auskundschaften. Er musste genau nach Plan vorgehen. Methodisch. Nicht aufhören zu denken. Der Angst keinen Raum geben, sie gar nicht erst aufkommen lassen.
    Das Lager aufbauen, den Kocher suchen, den Topf rausholen, mit Wasser füllen, den Kocher anzünden. Luke arbeitete wie in Trance, er war sogar zu erschöpft, um zu rauchen. Eine Zigarette würde ihn jetzt umbringen. Seine Lungen waren überanstrengt und schmerzten. Er konnte seine Beine kaum noch koordiniert bewegen und stolperte ständig über die eigenen Füße. Sein Gleichgewichtssinn war gestört. Das lag am Flüssigkeitsmangel oder daran, dass er nichts gegessen hatte. Er fühlte sich, als hätte er den ganzen Tag Klimmzüge und Kniebeugen im Fitnessstudio gemacht. Er fragte sich, ob etwas von dem Grünzeug um sie herum essbar war. Er dachte an wilde Beeren, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen.
    Irgendwann saßen sie alle schweigend beieinander, die schmutzigen Hände um die Becher mit dem heißen süßen Kaffee gelegt. Schon allein der Duft ließ sie beinahe in Tränen ausbrechen. Sie starrten mit glasigen Augen in die schwarze Flüssigkeit, die allmählich abkühlte. Niemand machte sich die Mühe, nach dem Kaffeeweißer zu suchen. Viel zu groß war das Bedürfnis, sich endlich etwas Heißes einzuverleiben. Kaum war der Kaffee nicht mehr brühheiß, stürzten sie ihn herunter.
    Nachdem er ausgetrunken hatte, lehnte Dom sich zurück, hielt aber den Becher umklammert, um den letzten Rest Wärme mit seinen Händen aufzunehmen. Phil stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ den Kopf hängen. Nach einer Weile glaubte Luke schon, er sei eingeschlafen.
    Aber Phil dachte an Hutch. Er weinte ganz leise vor sich hin. Seine Trauer war ansteckend. Die Unfassbarkeit ihres Verlusts überwältigte sie. Der erschöpfende Marsch hatte die Gedanken an die Grausamkeiten, die sie miterlebt hatten, verdrängt, ihr misshandelter Freund war ihnen kaum in den Sinn gekommen.
Aber nun ruhten sie sich aus, und das Bild von Hutch, wie er da zerfetzt im Baum hing, kehrte in ihr Bewusstsein zurück, stand ihnen in seiner ganzen Grausamkeit vor Augen. Dom legte sich ins Zelt und bedeckte sein Gesicht. Seine Schultern begannen zu zucken und bewegten sich im Rhythmus des Schmerzes, der ihn erfasst hatte. Luke starrte mit leerem Blick auf die Bäume, durch die sie am Nachmittag hierhergetaumelt waren, seine Augen brannten und er merkte, wie sein Blick sich trübte.
     
    »Phil, hör mal«, sagte Luke, als die Kälte und der Nieselregen ihnen trotz ihrer unbeschreiblichen Trauer immer mehr zusetzten.
    Nach einer Weile kam Phils Antwort: »Was?« Aber er bewegte nicht mal den Kopf.
    »Ich werde den Baum da hinaufklettern. Und von dort oben einen Blick auf die Umgebung werfen. Vielleicht sehe ich ja den Waldrand. Wer weiß.«
    Phil sah zu dem Baum und seine Augen leuchteten auf. Dom richtete sich jäh auf und zuckte vor Schmerz zusammen. Seine Augen waren gerötet.
    Luke deutete auf den Baum. »Ich glaube, ich kann ein paar von den flachen Steinen zu einer Treppe aufschichten und dann von dort aus hochspringen, um den untersten Ast zu erwischen. Wenn ich es schaffe, mich hochzuziehen, ist der Rest so einfach, wie eine Leiter hinaufzusteigen, nur ein bisschen höher. Auf halber Höhe, wo die Äste weniger dicht sind, sollte ich was erkennen können.«
    Dom nickte. »Das könnte klappen.«
    »Deshalb wollte ich, dass wir hier hochsteigen. Es hat uns beinahe umgebracht, aber es ist ein guter Platz. Zwar ist es hier nicht sehr geschützt, aber wir haben ja das Zelt, das den Regen abhält. Und da es ausnahmsweise mal nicht unter einem Baum steht, riskieren wir auch nicht, dass es durch die Äste beschädigt und undicht wird. Vielleicht können wir sogar ein Feuer anmachen.
Phil, es wäre gut, wenn du ein bisschen trockenes Holz suchst. Im Gestrüpp dort, dicht am Boden. Rinde. Da sind auch viele Zweige. Zum Anfeuern. Wir zünden es an und lassen es dann möglichst die ganze Nacht brennen. Aber geh nicht zu weit vom Zelt weg.«
    Dom schaute Luke an und schien ihm zuzustimmen. »Und was ist mit mir?«
    »Ich glaube, du solltest dich

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