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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Schlaufen in der Plane zu schieben war beinahe unmöglich. Vor seinen Augen verschwamm alles. Seine Arme hatten nicht mehr genügend Kraft, um die Stangen so weit zu biegen, dass sie in die vier Ösen an den Ecken des Zeltes passten. Phil musste ihm zur Hand gehen.
    »Phil, hilf mir mal mit diesen verdammten Stangen. Oh Mann, ich mach die noch kaputt.«
    Phil drehte sich nicht um, sondern starrte weiter den Abhang hinunter. »Tu das bloß nicht.«
    Luke nahm einen Schluck aus seiner Trinkflasche. »Wie weit ist er jetzt?«
    »Hat die Hälfte geschafft.«
    Dom schob sich auf dem Hintern sitzend rückwärts den Berg hinauf, gelegentlich stieß er sich ab und kam ein Stück weiter, während Phil von oben auf ihn aufpasste. Jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt für einen Angriff gewesen. Luke hatte Phil aufgetragen, bei Dom zu bleiben. Doch er war stattdessen Luke dicht auf den Fersen geblieben.
    Warum zeigte sich dieses Ding, das Hutch umgebracht hatte,
jetzt nicht? Sie waren unglaublich müde und kaum in der Lage, sich zu verteidigen. Außerdem war das schwächste Mitglied der Gruppe jetzt von den anderen getrennt. Gehen Raubtiere nicht so vor? Warten sie nicht ab, bis das schwächste Tier von der Herde getrennt ist und schlagen dann zu? Irgendwo dort unten lauerte diese Bestie doch, das wusste er ganz genau.
    Luke stöhnte und hockte sich auf die Knie. Mit letzter Kraftanstrengung gelang es ihm, die Zeltstangen zu biegen. Er hatte das viele Jahre lang immer wieder gemacht, normalerweise brauchte er zwanzig Minuten, um das Zelt zu errichten. Aber jetzt nicht. Er fummelte schon seit zwanzig Minuten an dem Ding herum, ohne dass eine einzige wichtige Verstrebung an ihrem Platz war. Das war jetzt aber wirklich das letzte Mal. Noch einmal würde er sich nicht damit herumquälen. Das Zelt würde hierbleiben. Morgen würde er mit leichtem Gepäck weitermarschieren. Er würde sogar seinen Rucksack bei ihnen lassen. Nur den Kompass und das Messer würde er mitnehmen, ein paar Schokoladenstücke, den Schlafsack.
    Der Regen sprühte kleine dunkle Flecken auf den zerknautschten Zeltstoff und seine gekrümmten Schultern. Er sah nach oben in den metallisch-grauen Himmel, der niedrig und düster wirkte. Immerhin konnte man ihn von hier aus überhaupt sehen. Es gab normales Licht auf dieser Anhöhe. Vielleicht klarte es ja sogar auf. Wer wusste das schon? Zwischen den Bäumen wurde es manchmal so dunkel, als wäre es Nacht. Das war wirklich eine gottverlassene Gegend. Menschen hatten hier nichts zu suchen.
    Er strengte sich so sehr an, die Zeltstange zu biegen, dass er sich beinahe einen Leistenbruch dabei holte. Das war jetzt der vierte Versuch, er biss die Zähne zusammen, konzentrierte sich ganz auf die kleinen Ösen und die verzinkten Enden der Stäbe, die, wenn sie erst einmal gespannt waren, oben ein klein wenig herausragen würden, aber leider verpasste er das Loch um wenige
Millimeter. Er strengte sich an, wandte mehr Kraft auf, als er eigentlich noch hatte, die Muskeln an seinen Schultern und den Oberarmen spannten sich schmerzhaft an. Seine Finger verfärbten sich bläulich weiß. Er schrie auf. Die Stange glitt durch das Loch, und er ließ sie los. Er setzte sich zurück. Seine malträtierten Hände waren zu Klauen verkrampft. Langsam kehrte das Blut zurück in die Finger. Er starrte sie an. »Geschafft. Verdammt noch mal, geschafft«, murmelte er vor sich hin.
    »Er hat aufgegeben. Wir müssen ihn den Rest der Strecke hochziehen«, sagte Phil. »Sein Knie ist total im Arsch.«
     
    Dom lag reglos und schweigend auf seinem Schlafsack unter dem Zeltdach. Er trug nur seinen Fleece-Pulli und Unterwäsche. Sein schlimmes Bein hatte er ausgestreckt, der Fuß lag im Zelteingang. Luke hatte einen Rucksack als Stütze darunter gelegt.
    Seit er auf der Anhöhe angekommen war, hatte Dom kein Wort mehr gesprochen. Mit Hilfe seiner Krücke hatte er sich aufgerichtet und war mit schmerzverzerrtem Gesicht zum Zelt gehumpelt. Nachdem Dom den schmerzhaften Aufstieg hinter sich gebracht hatte, rückwärts und auf dem Hintern hoch rutschend, hatte Luke vermieden ihn anzuschauen. Aber er hatte ein leises »Gut gemacht, Kumpel« gemurmelt. Sie wussten beide, dass er keinen Schritt mehr weitergehen konnte. Dom würde hier warten müssen, bis Hilfe kam. Der Gedanke daran, dass er Phil überreden musste, bei Dom zu bleiben, plagte Luke noch mehr, falls das überhaupt möglich war. Vielleicht war es besser, damit bis zum Morgen zu warten. Ein

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