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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Versprochen.«
    Eine weitere Stunde ging vorbei, ohne dass sie etwas hörten oder sahen.
    Luke erschauerte, er war geistig völlig abgestumpft. Er hielt seine Lampe in die Dunkelheit gerichtet. Der Lichtschein war schon schwächer geworden. Bald schon würde er die Ersatzlampe benutzen müssen, die Phil gehört hatte. Aber im Augenblick fühlte er sich in dem warmen Winterschlafsack so wohl, dass er keine Lust hatte sich zu bewegen. Noch nicht. Es war das erste Mal an diesem Tag, dass er so etwas wie Bequemlichkeit empfand.
    Dom schnarchte leise vor sich hin, er war schon wieder eingeschlafen.
    Lukes Gehirn sehnte sich ebenso sehr nach Schlaf und dem Vergessen, das mit ihm einherging. Trotz der unmittelbaren Todesgefahr fiel sein Kopf zweimal zur Seite, bevor er hochschreckte und die Augen wieder aufriss. Eine kalte nackte Angst durchzuckte ihn, und sein Griff um die Taschenlampe wurde noch fester.
    Wenn er in dieser Nacht nicht schlief, wie konnte er dann überhaupt ernsthaft glauben, dass sie morgen weiterkamen dort unten im dichten Wald, in seinem Reich? Alle Reserven seines Körpers waren verbraucht, jeder Muskel war erschlafft und tat trotzdem weh, sein Rückgrat war ein Zentrum des Schmerzes. Es war ziemlich klar, dass Dom nicht wach bleiben würde, wenn er Wache halten sollte, während er selbst sich eine Stunde ausruhte.
Dom brauchte den Schlaf noch viel dringender als er. Er musste sein Knie schonen. Jede Minute, die er schlief, ließ ihre Chancen ansteigen, den nächsten Tag zu überleben, denn dann würde er morgen aufmerksamer sein, wenn sie ihre letzten Kräfte aufbieten mussten, um sich einen Weg aus dieser urtümlichen Hölle zu bahnen.
    Luke verlagerte sein Gewicht, zog die Beine an und lehnte sich noch etwas mehr gegen Doms Rücken. Ganz bestimmt würde er mit angezogenen Knien nicht einschlafen können. Zitternd vor Kälte streckte er die Hand aus und nahm Doms Lampe, die ihm in den Schoß gefallen war. Dann richtete er die beiden Lampen in Hüfthöhe in entgegengesetzte Richtungen und ließ ihren Lichtkegel zu beiden Seiten des schlaff und schief stehenden Zeltes über den Boden gleiten.
    Zwanzig Minuten saß er so da, ohne sich zu bewegen, dann noch einmal fünfzehn, schaffte vielleicht sogar eine ganze Stunde. Der gleichmäßige Atem seines Freundes lullte ihn ein, suggerierte ihm Sicherheit. Er würde ganz bestimmt nicht … Jede Sekunde, die Dom sich ausruhte würde ihnen …
    Er riss die Augen auf, nachdem er offenbar nur für einen kurzen Moment eingenickt war. Jetzt wusste er, dass sie beide nicht allein waren auf diesem Hügel.
    Während ein Teil von ihm in ein verlockendes, wohltuendes Koma gefallen war, hatte der andere Teil seines Bewusstseins Wache gehalten. Irgendwo in ihm gab es eine lange vernachlässigte, nun aber wiederbelebte Region, die ihn auch zu Hause gelegentlich aufrüttelte, wenn er Geräusche im Haus hörte, die kaum lauter waren als das Getrappel der Mäuse oder das Knarren eines Deckenbalkens oder das Vibrieren eines Abflussrohres hinter der Wand. Dies war der Teil seines Bewusstseins, der auf ungewöhnliche Töne in der Nacht reagierte, der sofort aufschreckte und ihn schlagartig wach werden ließ, ohne die normale Übergangsphase durchmachen zu müssen.

    Im schwächelnden Licht der Taschenlampen konnte er nur ungefähr fünf Meter weit sehen. Den Rand des Hügels konnte er von hier aus nicht einmal mehr erahnen, er war längst im allgemeinen Dunkel der Nacht verschwunden. Die Steinbrocken in der Nähe des Zeltes waren noch zu sehen und wirkten am Rand des Lichtscheins bläulich, als würden sie selbst ein fremdartiges Licht ausstrahlen. Wenn er sie direkt anstrahlte, sahen sie hingegen kalt und weißlich aus wie ausgebleichte Muschelschalen.
    »Dom.«
    Der schwere Körper seines Freundes drückte noch immer gegen ihn, seine Schultern hoben und senkten sich regelmäßig beim Ein- und Ausatmen. Auf der rechten Seite, zwischen dem Zelt und dem südlichen Rand des Hügels, glaubte Luke mit seiner überempfindlichen Wahrnehmung einen Schatten ausmachen zu können, kaum zwei Meter von der Stelle entfernt, wo das vorderste Zeltseil verankert war. Dieser Schatten war noch nicht da gewesen, bevor er eingenickt war.
    »Dom.«
    Es bewegte sich nicht. Unbeweglich wie ein Felsbrocken, langgestreckt wie ein umgefallener Baumstamm mitten im Wald. Wenn man zufällig dort hinschaute oder den Blick über diese Stelle gleiten ließ, bemerkte man gar nichts. Es war ein längliches Etwas,

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