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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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das nur ein Mensch, der aufgrund der Gefahr hypersensibel auf alle Reize reagierte und dessen Jagdinstinkt geweckt worden war, auf den zweiten Blick bemerken konnte.
    Luke war viel zu verängstigt, um seine Lampe direkt darauf zu richten. Er wollte es nicht sehen.
    Er schluckte. Mit wimmernder Stimme wiederholte er: »Dom.«
    Aber sein Freund murmelte nur etwas im Schlaf vor sich hin.
    Und dann bewegte sich der am nächsten liegende Teil des Schattens, der nur andeutungsweise und indirekt vom äußersten
Rand des Lichtkegels erreicht wurde. Hob sich nicht mehr als ein paar Zentimeter, ungefähr so wie eine Katze, die sich zum Angriff anspannte, um sich urplötzlich auf ihre Beute zu stürzen.
    Luke ruckte nach vorn und zwang seine steifen Beine in eine hockende Stellung. Dann brüllte er so laut los, wie es die Kraft seiner Lungen erlaubte. Er richtete seine Taschenlampe direkt auf den Schatten und ließ die andere Lampe fallen, um nach dem Messer zu greifen, das unter seinem Schlafsack bereitlag.
    Was auch immer den Hügel hinaufgekrochen war, um sich an sie anzuschleichen, duckte sich und erstarrte, als es den Schrei hörte. Inmitten des ruckartig hin und her schwenkenden Lichtkegels versuchte ein schwarzer Schatten, sich so flach zu machen, dass er beinahe mit dem Untergrund verschmolz und unsichtbar wurde. Am Rand seiner offenbar behaarten Flanke glänzte etwas Öliges.
    Luke tastete hektisch nach dem Messer. Seine Finger glitten über den Nylonstoff, über den Reißverschluss, über sein eigenes Bein, fassten ins Leere. »Dom!«
    Dom wachte auf. Starr vor Angst drängte er sich gegen seinen Kameraden.
    Die Zeit stand still. Die Luft um sie herum schien unter Spannung zu stehen wie in dem Augenblick, bevor es zu einem jähen Ausbruch brutaler Gewalt kommt, wenn ein Raubtier sich auf seine Beute stürzt, um sie zu töten.
    Das Ding glitt rückwärts ins Dunkel jenseits des Lichtscheins, und es klang schabend, als würde etwas hartes Knochiges über nackte Steine gezogen. Vielleicht war es ja Einbildung, aber Luke glaubte, eine längliche Form zu erkennen, etwas das irgendwie spinnenartig seitwärtskroch und hinter dem Zelt verschwand. Und dann bewegte es sich eilig hinein in die schattige Silhouette des kargen Unterholzes. Fast wirkte es, als würde ein massiger Schatten über den Boden davonfließen. Oder auf wunderliche Weise verschwinden und an anderer Stelle wieder Gestalt
annehmen. Denn nun richtete sich dort drüben hinter dem Baumstamm jenseits der Reichweite seines Lichtstrahls etwas auf. Und wurde immer größer hinter diesem Stamm, vielleicht sogar um ihn herum, jedenfalls schien es so, auf kaum sichtbaren Gliedmaßen, die so lang sein mussten, dass sie wie Stelzen anmuteten. Oder waren das nur Schatten, die belebt wirkten, weil die Lampe in seiner Hand zitterte?
    Luke stand auf. Die Taschenlampe warf ein kaltes hartes Licht auf den Baum, und der schwache Kegel huschte über etwas, das wie dünne Äste wirkte, die vom Wind bewegt wurden, vielleicht aber etwas ganz anderes war.
    Dom murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, während er nach seiner Lampe und dem Messer tastete.
    Über ihnen und vor ihnen schoben sich die langen dünnen Formen, die eben noch Äste und Blattwerk gewesen zu sein schienen, weiter am Baum nach oben. Was er da nur ganz kurz andeutungsweise erkennen konnte, traf Luke wie ein Schlag in die Magengrube, aber dann verpuffte dieses Gefühl und zugleich seine Fähigkeit, überhaupt so etwas wie Schmerz zu empfinden. All das verschwand mit einem Mal.
    Luke sprang um Dom herum und rannte auf den Baum zu. Und in einer blitzartigen Bewegung bückte er sich und griff nach einem nassen kalten Stein, der auf einem Haufen lag, mit dem sie eine Zeltleine beschwert hatten. Er schoss nach vorn, hielt inne, richtete sich auf, breitete die Arme aus, holte Schwung und katapultierte den Stein wie ein Baseballwerfer mit aller Kraft gegen den Baum und das schattenartige Etwas um ihn herum.
    Auf das grässliche Geräusch des dumpfen Aufpralls von Stein auf Fleisch folgte ein erschrecktes Kreischen, so laut, dass ihre Ohren taub wurden. Luke war durch den Schwung aus dem Gleichgewicht geraten und wollte sich wieder aufrichten. Aber bevor er so weit war, sauste inmitten des andauernden Geheuls
etwas hinter dem Baum hervor und krachte gegen seinen Schädel.
    Ein greller weißer Blitz flammte auf, gleichzeitig durchzuckte ihn ein schneidender Schmerz, dann versagten Augen und Gehirn, und er stürzte

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