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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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konnte kaum mehr atmen, als wären seine Lungen verklebt. In seinem Kopf geisterten völlig verrückte Worte herum, und immer wieder blitzten in seinem Gehirn kurze Bilder von den verrotteten menschlichen Überresten in der feuchten Grube unter dem Boden der verfallenden Kirche auf.
    Irgendwo in seiner Magengrube hoffte er nun die heiße Wut wiederzufinden, die ihn derart in Raserei versetzen würde, dass er es wagte, dem Monstrum Auge in Auge gegenüberzutreten, wie zu dem Zeitpunkt, als sie den armen Hutch im Baum hängend gefunden hatten, ausgeweidet mit herabhängenden Gedärmen inmitten der schwarzen knorrigen Äste. Aber er fand nichts weiter in sich als eine chaotische Leere, in der kein Platz für etwas anderes als nackte Angst war, eine Angst, die auch jeden anderen davon abgehalten hätte, sich irgendwelchen kühnen oder verrückten Anwandlungen hinzugeben.
    Und dann fing dieses Bellen von Neuem an, irgendwo zu ihrer Linken im feuchten und morastigen Unterholz, und es wirkte so urtümlich inmitten dieser sumpfigen und felsigen Moderwelt, dass man glauben konnte, es sei ein Teil davon. Das bestialische Grunzen verwandelte sich in ein teuflisches Jaulen, das beinahe klang, als wollte das Monstrum ihnen mit Worten etwas sagen.
    Aus jedem einzelnen Laut, den es von sich gab, schienen die unartikulierten Schreie ihrer Vorfahren mitzuhallen. Damals in jener Zeit, als die Menschen noch keine Symbole oder Worte gefunden hatten, um sich zu verständigen oder Dinge zu bezeichnen, stießen sie Rufe aus, wenn es darum ging, vor etwas zu warnen, das Jagd auf sie machte und den Tod bedeuten konnte. Luke war jetzt davon überzeugt, dass sie hier an diesem dunklen und kalten Ort auf etwas gestoßen waren, das aus den frühen Tagen der Menschheit stammte. Vielleicht war es auch ein Wesen aus noch grauerer Vorzeit. Auf jeden Fall gehörte ihm dieses
Land. Die Äste und Blätter erzitterten, der sumpfige Erdboden erbebte und die Natur in den feucht triefenden Mulden hielt den Atem an, wenn dieses Ding erschien.
    Luke ging auf das Geräusch zu, bis zum östlichen Rand des Hügels, auf dem sie, vielleicht zum letzten Mal, Position bezogen hatten. Vielleicht war eine Begegnung mit ihnen für dieses Ding ja nichts weiter als ein kurzes Aufschnappen willkommener Beute, die sich zufällig auf der Anhöhe aufhielt. Ein blitzartiges Zupacken und ein euphorisches Glücksgefühl, das jedes Raubtier spürt, wenn seine heiße Schnauze und sein feuchtes Maul gierig den Duft von warmem Fleisch und dampfend heißem, salzig schmeckendem Blut aufnehmen.
    Luke stellte sich eine narbige dunkle Masse vor, die geduckt über den Erdboden streifte. Die sich flink im Schatten bewegte, über Hindernisse hinweg oder unter ihnen hindurch. An all den natürlichen Barrieren, gegen die sie ständig mit ihren Schienbeinen gestoßen oder vor denen sie keuchend zum Stehen gekommen waren, huschte es leichtfüßig vorbei oder schlüpfte ganz selbstverständlich hindurch. In unendlich vielen Jahren hatte es mit seinen Nüstern und seiner Zunge jeden Zentimeter Waldboden erkundet und alle Einzelheiten im Gedächtnis behalten.
    Er hielt das Messer in der Hand und sagte sich, dass er nur Zeit für einen einzigen Stich haben würde. Und den musste er instinktiv und blitzschnell ausführen. So schnell wie ein Augenzwinkern. Schneller, als wenn er vor Schreck zusammenzuckte. In genau dem Augenblick, wenn es nach seiner Kehle schnappte oder seinen Oberkörper aufspießen wollte. Ein Stoß, eine Chance.
    Luke näherte sich dem Rand des Hügels, ging in die Hocke und hob den linken Arm, wie es die Trainer von Polizeihunden taten. Die Hand mit dem Messer war bereit für einen gezielten Stich nach oben.
    Dann drehte er sich schneller um, als eine bewusste Entscheidung
es möglich gemacht hätte, und rannte zurück zu der Stelle, wo Dom nach vorn gebeugt saß und ihn beobachtete. Er lief mit weit ausholenden Schritten, ohne darüber nachzudenken, wie er das Gleichgewicht halten oder seine Füße auf den schlüpfrigen unebenen Boden setzen musste. So schnell er konnte eilte er auf Dom zu, zum Zelt, das Messer in der Hand.
    Und genau wie seine aufgestellten Haare im Nacken es ihm zugeflüstert und die feinen Vibrationen in seinem Innenohr ihm vermittelt und das kalte Blut in seinem Herzen ihn gewarnt hatten, kam die Bestie auch diesmal wieder durch die Hintertür. Blitzschnell, nachdem es einen von ihnen in die andere Richtung gelockt hatte.
    Hinter dem Zelt spritzten

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