Im Todesnebel
verschiedenen Decks und unten in den Kabinen. Der Funker lag zusammengekrümmt über seinem Sender, das rote ON-Lämpchen blinkte noch und zeigte an, daß die Anlage eingeschaltet war.
Der Offizier, der die Männer von der
San Gabriel
anführte, meldete sich über das Funktelefon der
Lillie Marlene
umgehend bei seinem Captain. Immer wieder stockte seine Stimme vor Schrecken und Abscheu, als er berichtete, was er und seine Männer gesehen hatten. Die Leichen der Opfer hatten sich grün verfärbt, und ihre Gesichter waren weggeschmolzen, als ob ein Feuerstrahl sie ausgelöscht hätte. Die ganze Jacht war von einem widerwärtigen Gestank eingehüllt, den der Offizier als schwefelig beschrieb. Der Zustand der Leichen schien darauf hinzudeuten, daß jeder an Bord verzweifelt um sein Leben gekämpft hatte. Arme und Beine waren unnatürlich verdreht, und die verbrannten Gesichter schienen alle nach Norden zu. zeigen. Sogar ein kleiner Hund, wahrscheinlich hatte er einem Passagier gehört, wies diese sonderbaren Verunstaltungen auf.
Nach einer kurzen Besprechung im Ruderhaus der
Lillie Marlene
forderte der Offizier bei seinem Captain ein starkes Tau an. Da die Jacht ohne Mannschaft in internationalen Gewässern schwamm, wollte man sie als Bergungsgut beanspruchen und mit ihrer schauerlichen Fracht nach Honolulu schleppen.
Aber noch bevor sich die
San Gabriel
in Position bringen konnte, erschütterte plötzlich eine schwere Explosion die
Lillie Marlene
vom Bug bis zum Heck. Die Druckwelle war so gewaltig, daß sie sogar die
San Gabriel
zur Seite drückte und die Trümmer der Jacht in einem Umkreis von mehreren hundert Metern zerstreute.
Zu Tode erschrocken mußte der Captain und die Mannschaft der
San Gabriel
hilflos mitansehen, wie die Reste der
Lillie Marlene
und aller Menschen, die sich auf ihr befunden hatten, im Meer versanken. Nach Untersuchung aller Unterlagen und der Anhörung der Augenzeugen schloß das Untersuchungskomitee der Küstenwache die Akten über dieses Unglück mit der Bemerkung: »Ursache und Umstände, die zum Tod von Besatzung und Passagieren der
Lillie Marlene
geführt haben, sind unbekannt geblieben. Ebenso der Grund für die später erfolgte Explosion, die die Jacht endgültig sinken ließ.
Eine Schuld Dritter läßt sich nicht nachweisen.«
Pitt schloß die Akte und legte sie zurück auf Hunters Schreibtisch.
»Dies ist der einzige Fall, in dem vor der Katastrophe noch ein Notruf aufgefangen wurde«, erklärte Hunter mit düsterer Stimme. »Ebenso ist es der einzige Augenzeugenbericht, wie auch einmalig in der Beschreibung der Opfer des Unglücks.«
»Eigentlich bleibt nur der Schluß, daß die
Lillie Marlene
von der Besatzung eines anderen Schiffes geentert worden ist«, sagte Pitt.
Boland schüttelte den Kopf. »Die Besatzungsliste der
San Gabriel
ist gründlich überprüft worden. Und außerdem hatte eine Analyse der Bandaufzeichnung des Funkverkehrs eindeutig ergeben, daß die
San Gabriel
tatsächlich vierundzwanzig Kilometer von der Unglücksstelle entfernt war, als sie zum ersten Mal auf den Notruf der
Lillie Marlene
geantwortet hat,«
»Und ein anderes Schiff ist nicht gesichtet worden?« fragte Pitt.
»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen«, warf Denver ein. »Aber seit keine Entermesser mehr hergestellt werden, ist auch die Hochseepiraterie aus der Mode gekommen.«
»Aber auch in Duprees letzter Nachricht ist von einer Nebelbank die Rede«, beharrte Pitt.
»Hat denn auch die
San Gabriel
etwas wie Nebel gesichtet?«
»Nein«, antwortete Hunter. »Der erste Notruf wurde um 20.50 Uhr aufgefangen, da herrscht in diesen Breiten Dämmerung.
Gegen den dunklen Horizont wäre eine vereinzelte kleine Nebelbank also nicht zu erkennen gewesen.«
»Außerdem«, fuhr Denver fort, »kommt im Juli in diesem Teil des Pazifischen Ozeans Nebel ungefähr so häufig vor wie ein Schneesturm am Strand von Waikiki. Eine kleine, räumlich begrenzte Nebelbank kann nur dann entstehen, wenn warme unbewegte Luft sich bis auf ihren Kondensationspunkt abkühlt.
Das geschieht zumeist in windstillen Nächten, wenn sie über einer kalten Wasseroberfläche steht. In dem Seegebiet, das uns interessiert, gibt es diese Klimabedingungen aber nicht. Das ganze Jahr hindurch weht hier ein Wind mit fast konstanter Geschwindigkeit, und Wassertemperaturen von einundzwanzig bis achtundzwanzig Grad kann man nicht gerade als kalt bezeichnen.
Pitt zuckte die Schultern. »Damit wäre zumindest diese Frage geklärt.«
»Nur
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