Im Todesnebel
»Unglaublich. Es ist nicht zu begreifen.«
»Und das ist erst die halbe Geschichte«, fuhr Pitt fort. »Ein drittes unserer Schiffe, das über dem Cayment-Graben vor Kuba arbeitete, hatte denselben Kontakt. Ich habe die Unterlagen von allen drei Schiffen gesehen; die graphischen Kurven, die von den drei Sonargeräten aufgezeichnet wurden, stimmten auf den Millimeter miteinander überein.«
»Wurde die Navy davon unterrichtet?«
»Nein. Die Navy möchte genausowenig etwas über unerklärliche Unterwasserphänomene hören, wie die Air Force etwas von UFOs wissen will. Und außerdem, was hatten wir denn schon in der Hand? Ein paar wild gezackte Linien auf ein paar Bogen Millimeterpapier.« Pitt lehnte sich in seinem Stuhl zurück, legte die Füße auf die Tischplatte und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Einmal allerdings hätten wir einen unbekannten Seebewohner fast auf einen Videofilm bekommen.
Ein Zoologe der NUMA studierte vor dem Kontinentalabhang in der Nähe von Island Fischtöne und nahm sie auf Band auf. Er hatte ein Mikrophon auf dreitausend Meter hinuntergelassen, um die Geräusche bisher kaum gesichteter Tiefseefische aufzuzeichnen. Mehrere Tage lang nahm er ein bestimmtes Klicken und knirschende Geräusche auf, wie sie auch von Fischen zu hören sind, die sich in niedrigeren Tiefen bewegen.
Ebenso zeichnete er die regelmäßigen Knackgeräusche der Garnelen auf.
Dann aber, an einem Nachmittag, brachen plötzlich sämtliche Fischlaute ab, und er empfing mit einemmal ein Klopfen, als ob jemand mit einem Bleistift auf das Mikrophon trommeln würde.
Im ersten Moment glaubte unser Wissenschaftler, lediglich einen Fisch gefunden zu haben, dessen Geräusche noch nie aufgefangen worden waren. Doch dann begriff er allmählich, daß das Klopfen einem ganz bestimmten Code folgte. Eilig rief er den Funker des Schiffes herbei, der den Rhythmus als eine mathematische Formel entziffern konnte. Im nächsten Moment brach das Klopfgeräusch ab, und aus den Lautsprechern ertönte ein kreischendes Lachen, das von der großen Dichte des Wassers noch ins Unheimliche verzerrt wurde. Fassungslos über das, was sie gehört hatten, brachte die Besatzung, so schnell sie konnte, eine Videokamera zu Wasser. Doch passierte das ungefähr zehn Sekunden zu spät.
Der feine Schlick auf dem Grund war durch eine schnelle Bewegung aufgewirbelt worden und hing wie eine undurchdringliche Wolke im Wasser. Es dauerte fast eine Stunde, bis der Grund wieder klar zu sehen war. Aber dann waren direkt vor dem Kameraauge ein paar unerklärliche Eindrücke im Schlick zu erkennen, die geradewegs in das schwarze Nichts führten.«
»Hat man mit der entzifferten Formel jemals etwas anfangen können?« fragte Denver.
»Ja, es war eine einfache Gleichung, mit der man den Wasserdruck für die Tiefe berechnen konnte, in der das Mikrophon hing.«
»Und wie groß war er?«
»Über eine Tonne pro Quadratzentimeter.«
Stille breitete sich im Kartenraum aus, eine eisige, unheimliche Stille. Pitt hörte das Hafenwasser gegen die Außenhaut des Schiffes schlagen.
»Gibt es hier auch Kaffee?« fragte er schließlich.
Aber Denvers Gedanken durchstreiften noch immer die wundersamen Abgründe der Meere.
Dann, mit einer sichtbaren Anstrengung, schüttelte er ab, was immer er gesehen hatte. »Eins können Sie mir glauben«, sagte er mit einem grimmigen Lächeln im Gesicht, »wenn Sie eine Fahrt auf der
Martha Ann
machen, dann reisen Sie mit dem feinsten Service, den man Ihnen auf dem Pazifik bieten kann.« Er zog einen alten schwarzangelaufenen Kaffeetopf zu sich heran und schenkte einen eingedellten Blechbecher voll. »Bitte schön, Sir. Und genießen Sie Ihren Ausflug.«
Sie hatten es sich gerade an dem Kartentisch bequem gemacht, um den Kaffee in gemütlicher Ruhe zu trinken, als die Tür aufschwang und Boland eintrat. Er trug ein altes T-Shirt, ausgeblichene Levis-Jeans und ein Paar Golfschuhe, die noch schlimmer aussahen als Pitts.
Der dünne Stoff des T-Shirts ließ Bolands starke Schultermuskulatur deutlich erkennen, und zum ersten Mal fiel Pitt auch eine Tätowierung auf dem rechten Unterarm des Commanders auf. Sie zeigte ein Messer, das die Haut einritzte, und ein paar Blutstropfen, die aus der scheinbaren Wunde hervorquollen. Unter diesem martialischen Bild stand in blauen Buchstaben geschrieben: LIEBER TOT ALS EHRLOS.
»Ihr zwei seht aus, als ob ihr gerade eure Einberufungsbefehle bekommen hättet«, sagte Boland mit spöttischer
Weitere Kostenlose Bücher