Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
kaum auf den Beinen halten.
»Bei euch ist ja einiges los hier«, murmelte er.
»Behalt diesen Bastard im Auge«, bat Tolik den Fähnrich.
Arschinow legte auf den Professor an, während Tolik neben Sergej niederkniete. Sein Freund lag mit dem Gesicht nach unten in einer riesigen Blutlache – gewöhnliches, menschliches Blut. Die Kugel war durch den Hinterkopf eingedrungen und hatte ihm beim Austritt sicher das halbe Gesicht weggerissen. Tolik konnte sich nicht überwinden, Sergej auf den Rücken zu drehen.
»Sünde«, wiederholte er. »Sünde.«
Korbut nähte Jelenas Wunde zu.
»Sie wird überleben«, sagte er bedauernd, während sich sein Blick in Toliks Augen bohrte.
Tolik nahm das Mädchen auf die Arme.
»Lass die Knarre oben«, sagte Tolik zu Arschinow und zeigte auf den Professor. »Wir sind noch nicht fertig mit ihm.«
»Aber Sie haben doch versprochen, mich am Leben zu lassen«, protestierte Korbut.
»Aber nicht, dass ich Sie freilasse«, erwiderte Tolik. »Sie kommen mit.«
Beim Verlassen des unseligen Labors warf Arschinow eine Stange Sprengstoff hinter sich und schloss sorgfältig die brandsichere Tür.
20
DAS SCHICKSAL DES PHARAOS
Im Korridor orientierten sich Tolik und der Fähnrich zielstrebig zum Eingang in den Metrotunnel . A us dessen Schlund schlugen ihnen Rauchschwaden entgegen und zischende Geräusche, die in ein Pfeifen übergingen. In unmittelbarer Nähe schob sich etwas Großes und Schweres durch den Qualm.
»Was kommt denn da angewalzt?«, fragte Arschinow verdutzt und blieb stehen.
»Anscheinend ist das gar kein Rauch, sondern Dampf«, mutmaßte Tolik.
Jelena versuchte etwas zu sagen. Sie hustete und schlug mühsam die Lider auf. Ihre Augen waren glasig vor Schmerz . A ls sie die Lippen bewegte, hielt Tolik den Atem an in der Hoffnung, ihr Geflüster zu verstehen.
»Das ist eine Dampflok!«, rief er plötzlich.
»Was für eine Dampflok denn, zum Henker?! Geht’s dir noch gut?«, fragte Arschinow mit weit aufgerissenen Augen.
»Hörst du nicht das Stampfen? Das ist eine Dampflok! Und es passt! Verstehst du? Eines fügt sich zum anderen! Lena hatte vom Mausoleum-2 gesprochen. Und jetzt weiß ich auch, was die Gemos oben am Lubjanka-Platz getragen haben!«
Der Fähnrich schaute Tolik an wie einen sabbernden Vollidioten. Korbut blickte nervös umher – er suchte nach einer Chance zu fliehen.
»Ich weiß, wie wir hier wegkommen – tu einfach, was ich dir sage!«, kommandierte Tolik.
Arschinow gab klein bei, und sie traten in den Tunnel.
Es war tatsächlich eine Dampflokomotive! Das Original!
Gehüllt in Schwaden aus Dampf und Rauch kroch der Trauerzug im Schneckentempo an ihnen vorbei. Das Zischen und Stampfen des bulligen Ungetüms wurde noch von den quietschenden Stahlgelenken der Treibstangen übertönt.
Die Dampflok sah aus wie eine gigantische Heuschrecke, die sich ins Labyrinth der Metro verirrt hatte. Der lange zylindrische Dampfkessel, der Führerstand und der Kohlentender waren grün lackiert. Tiefschwarz kontrastierten dagegen der Dampfdom auf dem Kessel, das Gehäuse des Hauptscheinwerfers, die Pufferlaternen und der konische Schornstein, der graue Rauchwolken an die Decke spie . V or dem Hintergrund der strahlend weißen Radfelgen hob sich das grellrot lackierte Gestänge mit Kurbel und Schwinge ab. Das Geländer war seinem gelblichen Glanz nach zu schließen aus poliertem Messing gefertigt.
Der Führerstand trug die Aufschriften »IS 293« und »1937«. Die schildförmige Frontpartie zierte das gut erkennbare Profil des »Gebirglers im Kreml«, der in seiner begnadeten Weitsicht vorausgesehen hatte, dass man eine Metrodampflok brauchen würde.
Mit Korbut als lebendigem Schutzschild arbeitete sich Arschinow zum Führerstand vor. Dann packte er den Lokomotivführer am Bein und zerrte ihn heraus. Ein Schlag mit der Handkante an die Gurgel – und der Mann fiel direkt unter die Räder.
»Reich dein Mädel rauf«, rief Arschinow, nachdem er aufgesprungen war.
Tolik hob Jelena im Gehen vorsichtig hoch, und der Fähnrich legte sie in den Führerstand. Danach zog er am Kragen den Professor hinein . A ls Letzter stieg Tolik auf.
Die neuen Passagiere machten sich zunächst ein Bild von der Lage. Die Dampflokomotive zog einen Flachwagen, dessen Bordwände mit schwarz gerandetem, rotem Kattun bezogen waren . A uf dem Wagen ruhte ein gläserner Sarkophag. Darin lag der erstaunlich gut erhaltene Lenin, der mit etwas Schwarzem zur Hälfte abgedeckt war. Seine eine
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