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Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Antonow
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Stirn austraten, rannen ihm über die Wangen und übers massive Kinn. Immer wieder blickte er nervös zur Tunneldecke und zerrte an den Trageriemen seines Rucksacks, als würden sie mit einer Zentnerlast in seine Schultern schneiden.
    »Alles in Ordnung, Tolik«, presste er hervor, als er die fragende Miene des Kommandeurs bemerkte.
    Seine Stimme klang so heiser, als wären seine Stimmbänder gerissen. Tolik nickte und schaute wieder nach vorn.
    Hätte Grischa mal lieber nicht den Mund aufgemacht. Dass es ihm schlecht ging, war völlig offensichtlich. Irgendetwas beunruhigte ihn. Tolik verzichtete darauf, ihn auszufragen. Das hätte nur zu Unruhe bei den anderen geführt. Und hier, mitten im Tunnel, konnte er nicht den leisesten Anflug von Panik gebrauchen. Bis zur Station würde Grischa schon durchhalten. Dort konnte er dann in Ruhe mit ihm reden.
    Probleme hatten sie auch ohne Grischa genug. Sie begannen etwa dreißig Meter weiter . A n der rechten Tunnelwand tauchten im Schein der Lampe schwarze Flecken auf . A ls der Lichtkegel darauf verharrte, wurde rasch klar, dass es sich nicht um feuchte Schimmelflecken handelte, sondern um die Buchstaben L, A und U.
    Der Lichtkegel wanderte nach links. Jetzt konnte man die Aufschrift vollständig sehen.
    »Hüte dich! Hier lau…«, las Grischa mit seiner krächzenden Grabesstimme vor und zuckte zusammen.
    Warum zum Henker hatte er laut aussprechen müssen, was sowieso alle sahen und ganz offensichtlich kein Willkommensgruß war!
    Die Phrase »Hüte dich! Hier lau…« war vermutlich mithilfe einer Öllampe oder Fackel geschrieben worden. Jeden der krakeligen, unregelmäßig dicken Buchstaben zierte ein nach oben geschwungener Schnörkel. Doch das Unheimlichste daran war das abrupte Ende: Der Buchstabe u endete in einem langen Bogen, der bis zum Boden verlief.
    Derjenige, der das geschrieben hatte, war offensichtlich unterbrochen worden. Jemand hatte ihn daran gehindert, seinen Gedanken zu Ende zu führen. Und dieser Jemand war sicher derjenige, der hier lauerte .
    Tolik schaute in die argwöhnischen Gesichter seiner Männer. Natürlich konnten sie sich mühelos zusammenreimen, dass der Autor der Botschaft nicht »lauscht« oder »laust« hatte schreiben wollen.
    Wer also lauerte hier? Mamotschka? Der Streckenwärter? Ihre Majestät, die Bestie?
    Seiner versteinerten Miene nach zu schließen hätte eigentlich Grischa die Antwort wissen müssen. Der Hüne schien den Tränen nah und zitterte am ganzen Leib . A ls würde er befürchten, dass im nächsten Moment die Tunneldecke einstürzt. Wohl aus diesem Grund hatte er die ganze Zeit ängstlich nach oben gestarrt – auf die sicherste Tunneldecke, die Tolik seit Langem gesehen hatte.
    Die Lichtkegel der Lampen schwenkten in alle Richtungen, doch von einer Gefahr war weit und breit nichts zu sehen. Nur dass hier jemand lauerte . Vielleicht war er gerade satt und fand es nicht der Mühe wert, für eine lächerliche Beute von acht Mann einen Finger krumm zu machen. Oder einen Fangarm. Er wartete lieber auf eine größere Karawane. Dann würde er wieder seinen feuchten, dunklen Bau verlassen, um sich an Menschenfleisch zu laben.
    Das Schweigen wurde immer bedrückender, bis die Anspannung schließlich einen Punkt erreichte, an dem Tolik sich nicht mehr zurückhalten konnte.
    »Grischa, was ist los?«
    Die Frage des Kommandeurs riss den Hünen aus seiner Erstarrung. Er schluckte krampfhaft, als kostete es ihn unendliche Mühe, seinen Sprechapparat in Gang zu setzen.
    »Ach nichts, Kommandeur … Irgend so ein Spuk … Flügel. Sie sind überall. Und sie schlagen so heftig, dass es in den Ohren wehtut …«
    »Was für Flügel denn, bei Marx?«, fragte Tolik mit gespielter Ironie. »Hier ist nichts dergleichen . Völlig unmöglich. Schreib dir das hinter die Ohren, dann geht’s dir auch wieder besser.«
    Grischa nickte und rang sich ein Lächeln ab. Es gelang ihm nicht einmal schlecht. Beinahe echt.
    »Los, vorwärts!«, kommandierte Tolik.
    Alle verspürten gleichermaßen den Drang, diesen äußerst unheilvollen Ort so schnell wie möglich zu verlassen. Der Aufbruch geriet so überstürzt und fluchtartig, dass alle in einer Reihe nebeneinander liefen, anstatt paarweise abzurücken. Tolik ließ die Undiszipliniertheit durchgehen. Er wollte seine Leute in dieser Situation nicht mit pedantischen Kommandos nerven. Sobald sie den unheimlichen Tunnelabschnitt hinter sich hatten, konnten sie immer noch die reguläre Marschordnung

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