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Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Antonow
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Schlagstöcken bewaffnet waren. Mit ihren Baretten sahen sie aus wie wandelnde Pilze mit schwarzen Hüten. Tolik fühlte feindselige Blicke auf sich lasten . Vermutlich wurde jeder Fremde an der Twerskaja so angeschaut.
    Der Chef der Wache führte Tolik in die Mitte der Bahnsteighalle, wo am Übergang zur Puschkinskaja – neben den stillstehenden Rolltreppen – vier ranghohe Offiziere standen. Ihre herausgehobene Stellung in der Hierarchie der Faschisten erkannte man an ihrer schwarzen Uniform und an den Schirmmützen mit hochgezogener Spitze und Adleremblem.
    Sein Begleiter befahl Tolik, stehen zu bleiben, begab sich zu der Gruppe der Offiziere, entbot den römischen Gruß und wechselte einige Worte mit einem der vier. Dieser fiel mit seinem feuerroten Haarschopf völlig aus dem Rahmen des kahl geschorenen Einerleis.
    Der Rotschopf wandte sich an Tolik: »Du willst zu mir?«, fragte er streng. »Ich wüsste nicht, dass wir uns kennen.«
    »Einen schönen Gruß von Onkel Mischa soll ich Ihnen ausrichten.«
    Die schmalen Lippen des Offiziers formten ein Lächeln, das man nur mit viel gutem Willen als freundlich bezeichnen konnte.
    »Oho! Von dem habe ich schon viel gehört. Nicht schlecht, die Bande, die er auf die Beine gestellt hat. Dein Onkel Mischa ist eine Führernatur. Wie geht’s ihm denn so?«
    Während Tolik mit den üblichen Floskeln antwortete, ging ihm durch den Kopf, dass dieser Faschist Nestors Gefolgschaft als Bande tituliert hatte. Wenn die Anarchisten eine Bande waren, was waren dann die Angehörigen des Vierten Reichs? Kanaillen? Bastarde? Ach was – viel zu milde ausgedrückt. Schade, dass Arschinow ihnen keinen zweiten Sprengsatz mitgegeben hatte. Diesen Erfindern eines neuen Typus Mensch hätte eine Ladung Dynamit auch nicht geschadet.
    Toliks Ansuchen, ihn selbst und weitere sieben Mann ohne Leibesvisitation durch die Twerskaja zu schleusen, löste bei Maljuta nicht gerade Begeisterung aus. Trotzdem gab er zähneknirschend Anweisung, die Gruppe ungehindert die Reichsgrenzen passieren zu lassen. Mit dem Hinweis auf seine besondere Sympathie für Onkel Mischa verstieg er sich sogar zu der Einladung, doch wieder mal vorbeizuschauen.
    Tolik rang sich ein Lächeln ab. Insgeheim stellte er sich den Rotschopf mit einem Stahlhalsband vor – an die Kette gelegt anstelle des buckligen Greises. Das wäre ein nettes Plätzchen für ihn gewesen.

5
    KLAUSTROPHOBIE
    Je weiter sich der Trupp vom Vierten Reich und seinen Bewohnern entfernte, desto befreiter atmete Tolik auf.
    Was stellst du mit Fanatikern an, die Menschen nach äußerlichen Merkmalen sortieren und auf einer imaginären Treppe verteilen, wobei sie gewisse Leute ganz unten in der Hölle platzieren, während sie sich selbst die obersten Stufen reservieren? Mit Leuten, die dazu imstande sind, alles Menschliche in sich selbst zu vergessen und es aus allen anderen mit Schlagstöcken herauszuprügeln? Mit Leuten, die Gefangene wie räudige Köter und ihre Schäferhunde besser als andere Menschen behandeln?
    Tolik fühlte sich, als hätte er einen matschigen Sumpf durchquert und gerade wieder trockenen Boden erreicht: Man geht leichter und klopft sich den Dreck von den Stiefeln. Das Gefühl war so real, dass Tolik unwillkürlich auf seine Stiefel schaute.
    Fehlanzeige. Keine Spur von Schmutz. Mit Hygiene kannten die Faschisten sich aus. Sie rückten jeder Art von Schmutz nicht mit feuchten Lumpen, sondern mit dem Rasiermesser zu Leibe.
    Im Laufe der Zeit machte das Gefühl der Erleichterung wieder jenen Empfindungen Platz, die zum Leben im Tunnel gehörten wie Taschenlampen. Jenem Zustand angespannter Nervosität, in dem das Ohr durch das Knirschen des Schotters hindurch jedes kleinste verdächtige Geräusch wahrnahm und das Auge stets darauf gefasst war, im Lichtkegel der Lampe eine tödliche Gefahr zu erspähen.
    Doch vorerst lief alles glatt.
    Hin und wieder sah sich Tolik nach Nikita um. Mit Selbstreflexion schien der Mann nichts am Hut zu haben. Jedenfalls sah er nicht so aus, als würden ihn Selbstzweifel plagen. Sein Verrat musste ihn doch irgendwie beschäftigen! Zumal jetzt, wo seine alte Heimat in greifbare Nähe rückte. Bis zum Ochotny rjad war es nur noch ein Katzensprung.
    Nicht zum Ochotny rjad natürlich, sondern zum Prospekt Marxa , wie die Roten die Station zu Ehren jenes bärtigen Philosophen nannten, den sie als eine Art Gottvater verehrten.
    Und Lenin? Könnte man ihn dann als Gottsohn bezeichnen?, fragte sich Tolik. Oder wie

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