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Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Antonow
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ausging, war so unerträglich, dass sie jegliche andere Wahrnehmung überdeckte.
    Das Auge betörte und hypnotisierte ihn. Er verspürte den Wunsch, es immerfort anzustarren. Bis zum Wahnsinn. Doch dann zog es sich abermals zu einem roten Punkt zusammen und veränderte seine Größe nicht mehr.
    Tolik stutzte . A uf einmal waren die Fangarme verschwunden, und die Schmerzen konzentrierten sich im Hals. Die nächste Entdeckung war noch viel überraschender: Er konnte seinen Körper wieder spüren. Eine unabsichtliche Bewegung seines Arms rief keine Gegenreaktion hervor. Kein Tentakel schlang sich um den Arm, und keine Saugnadeln bohrten sich in seine Haut.
    Wie gern hätte er den Arm noch einmal bewegt oder wenigstens einen Finger gerührt! Doch Tolik zögerte. Er befürchtete, dass die Bestie nur mit ihm spielte. Sicher wartete sie ab, bis ihr Opfer an seine Rettung glaubte. Nur um dieses zarte Pflänzchen der Hoffnung dann mit einem einzigen Tentakelgriff zu vernichten.
    Doch weitere Attacken blieben aus. Tolik bewegte den Arm, zog ein Bein an und hob schließlich energisch den Kopf: keine Spur mehr von der Bestie. Nur in der Ferne flimmerte ein rötliches Licht. Ein ganz gewöhnliches Lagerfeuer.
    Auf beide Arme gestützt setzte Tolik sich auf und sondierte die Lage. Ein Tunnel. Bemerkenswert trocken und sauber. Eigentlich ein ganz normaler Tunnel. Nur eines war seltsam: die Gleise. Sie glänzten. Selbst der Widerschein des fernen Lagerfeuers genügte, um es sehen zu können. Unbegreiflich. Um Gleise zum Glänzen zu bringen, mussten Tag für Tag Züge darüberfahren und sie mit ihren Rädern polieren.
    Tolik war klar, dass er des Rätsels Lösung wohl nie erfahren würde, wenn er hier auf dem Boden sitzen blieb. Er stand auf und stöhnte. Durch die ruckartige Bewegung war ihm ein stechender Schmerz in den Hals geschossen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als noch eine Weile reglos zu verharren.
    Dann machte er sich auf den Weg zum Lagerfeuer . A n einem Lagerfeuer traf man stets auf Menschen. Ob auf gute oder auf schlechte, war in diesem Moment nicht so wichtig.
    Mit jedem Schritt freute sich Tolik mehr darüber, dass er laufen konnte. Wie wenig der Mensch braucht, um glücklich zu sein! In der Euphorie der Bewegung ging er immer schneller und legte das letzte Stück bis zum Feuer fast im Laufschritt zurück.
    Tolik hatte sich innerlich bereits darauf eingestellt, von seinen unglaublichen Erlebnissen zu berichten, doch der Mann, der am Lagerfeuer kauerte, schenkte dem Ankömmling keine Beachtung. Er trug einen verschlissenen Umhang und eine blaue Hose. Der Schatten seiner Kapuze verbarg sein Gesicht.
    Als der Mann den Arm hob, um ein Stück Holz nachzulegen, bemerkte Tolik zwei Gegenstände, die neben dem Feuer auf dem Boden lagen: eine Taschenlampe und ein Buch, auf dessen Einband ein Leninkopf eingeprägt war. Ein Band der Gesamtausgabe.
    Die eingerosteten Rädchen in Toliks Gehirn begannen zu rattern. Kurz darauf brachen alle Dämme in seinem Gedächtnis, und ein Schwall von Erinnerungen flutete mit solcher Macht in sein Bewusstsein, dass Tolik das Gefühl hatte, ihm würde der Kopf platzen. Nestors Auftrag. Der Marsch von Station zu Station. Der Bücherpavillon. Die letzte Etappe und … Nikitas Verrat!
    Denk nach, Tolik, denk nach! Wie bist du aus dem Schla massel wieder rausgekommen?
    Hatte ihn Nikita womöglich einfach im Tunnel liegen lassen mit dem Hintergedanken, dass er, Tolik, zur Guljaipole zurückkehren und erzählen würde, mit welcher Leichtigkeit die Roten ihre Feinde austricksten?
    Tolik gingen viele Fragen im Kopf herum, doch dem Mann am Feuer stellte er nur eine: »Wer bist du?«
    Seine Stimme klang so heiser, als gehörte sie einem Fremden. Der Schlag gegen den Hals, den ihm Nikita versetzt hatte, war nicht ohne Folgen geblieben. Er konnte nur mit Mühe sprechen. Bei jedem Wort krampfte sich seine Kehle zusammen.
    Der Unbekannte zuckte mit den Achseln: »Schau in dich hinein, dort findest du die Antwort.«
    Die Stimme des Mannes kam ihm sehr bekannt vor, doch er hätte schwören können, dass er ihn noch nie gesehen hatte. Die Dunkelheit … Der Tunnel … Ein einsamer Mensch … Ein einsamer Mensch … Wirklich ein Mensch?
    »Der Streckenwärter?«, fragte Tolik zögerlich.
    »Das ist nur einer meiner vielen Namen. Wenn er dir gefällt, kannst du mich so nennen.«
    Tolik liefen plötzlich kalte Schauer über den Rücken. Seine Beine fühlten sich bleiern an. Er war tot. Mit einem Fingerstich

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