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Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Antonow
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hatte Nikita ihn umgebracht. Der Streckenwärter war gekommen, um seine Seele abzuholen und in die Hölle zu bringen.
    Gleich würde er seine Lampe einschalten, ihm die Augen ausbrennen und den Geblendeten ins Reich der Dunkelheit führen.
    Als hätte der Streckenwärter die Gedanken seines Gegen übers gelesen, hob er die Taschenlampe auf, schaltete sie ein und richtete den Lichtstrahl au f Toliks Gesicht. Der kniff instinktiv die Augen zusammen. Doch als er nichts Besonderes spürte, machte er sie nach einigen Sekunden wieder auf. Der Streckenwärter legte die Taschenlampe auf den Boden zurück.
    »Wie du siehst, ist mit deinen Augen alles in Ordnung. Und du lebst.«
    »Warum bist du dann gekommen?«
    »Was glaubst du? Warum kommt die Zeit? Warum schlägt die Stunde? Höchste Zeit, sich zusammenzunehmen und erwachsen zu werden. Über sich selbst hinauszuwachsen. Sein Leben in die Hand zu nehmen.«
    »Bist du hier, um mich an meine Bestimmung zu erinnern? An den Auftrag, den ich ausführen muss? Bist du ein Sendbote des Schicksals?«
    »Was für hochtrabende Worte! Du bist der Vollstrecker einer historischen Mission, und ich bin Klotho, Lachesis und Atropos in einer Person. Wir sollten nicht großspurig reden und uns nicht für Götter halten. Frische, Frische und nochmals Frische – das ist das oberste Gebot für jeden Gastwirt. Unsere Devise sollte die Bescheidenheit sein. Bleib du einfach Anatoli, und ich bleibe derjenige, der zu den Schlafenden kommt, um sie aufzuwecken. Einfach und schön wie Eisenbahnschienen, die in völliger Dunkelheit glänzen. Genug geredet. Leb wohl.«
    Der Streckenwärter nahm seine Taschenlampe, stand auf und warf den Lenin-Band ins Feuer. Das Buch ging sofort in Flammen auf und verbrannte innerhalb weniger Sekunden. Dann sank das Feuer in sich zusammen. Schon bald waren nur noch Asche und glühende Reste übrig. Wenig später erloschen auch sie.
    Der Streckenwärter ging einige Schritte und drehte sich noch einmal um.
    »Verlass dich drauf: Wir werden uns wiedertreffen, und es wird über einiges zu reden sein.«
    Tolik stand in völliger Finsternis am erkalteten Feuer und wusste nicht, was tun.
    Durch den Tunnel zog der Gestank brennenden Maschinenöls . A ngestrengt spähte Tolik in die Dunkelheit, doch den Brandherd konnte er nirgends entdecken.
    »Wir werden uns wiedertreffen. Und dann wird kein Gitter zwischen uns sein!«
    Tolik machte die Augen auf. Das Erste, was er sah, war Grischa, der wütend an dicken Gitterstäben rüttelte . A uf der anderen Seite des Gitters ging Nikita auf und ab . A nstelle der altmodischen NKWD -Uniform trug er einen Tarnanzug und Schnürstiefel mit dicker Sohle. Nur die Schirmmütze hatte er immer noch auf . A nscheinend hing er an ihr.
    Grischas Wutausbruch ließ den Dicken kalt.
    »Dieses Gitter ist deine Rettung, du verhinderter Ornithologe«, gab er höhnisch zurück.
    Nachdem Tolik sich endgültig aus seinem Albtraum geschält hatte, stellte er fest, dass er mit dem Rücken an der Wand auf dem Boden saß. Seine Männer waren auch da und verfolgten schweigend die Szenerie.
    Grischa war der Einzige, der aufbegehrte . A us den Gesichtern der Übrigen sprach totale Resignation. Im Unterschied zu ihrem Kommandeur hatten sie längst begriffen, in welch unerfreulicher Lage sie sich befanden.
    Tolik hatte im Tunnel am meisten abbekommen und war länger als die anderen bewusstlos gewesen. Nun versuchte er, sich möglichst rasch zu orientieren.
    Man hatte sie also gefangen genommen und eingesperrt . Vermutlich an der Lubjanka . Ihre Zelle befand sich in einem normalen Betriebsraum, der zu einem Gefängnis umgebaut worden war. Ein Gitter aus fingerdicken Stahlstäben trennte den Raum in zwei ungleiche Hälften. Im größeren Teil befanden sich die Gefangenen. Im kleineren Teil, der eher einem schmalen Korridor glich, tigerte Nikita auf und ab.
    Für die Beleuchtung sorgten zwei primitive Lampen. Sie bestanden nur aus einer mit Maschinenöl gefüllten Schale und einem Docht – eine in der Metro weitverbreitete Konstruktion. Licht spendete eine solche Lampe nur wenig, dafür umso mehr Ruß und Gestank.
    Obwohl die Eingangstür weit offen stand, zog die stickige Luft nicht nach draußen. Die Gefangenen schwitzten. Ihre Gesichter glänzten. Im flackernden Licht der Lampen sahen sie krank und ausgezehrt aus – als säßen sie hier schon tagelang fest.
    Was soll’s, irgendwie kommen wir schon raus!
    Tolik inspizierte das Gitter und die Schlosskonstruktion . A

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