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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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versäumt hatte.
    Ihr Verstand arbeitete an einer Lösung, die es nicht gab. Versäumt war versäumt. Prima Leistung, ausgerechnet jetzt. Aus dem Augenwinkel registrierte sie das gespannte Gesicht ihrer Kollegin mit einem dicken Anstrich von Make-up und Schadenfreude. Abteilungsleiterin war Adrianna Vicedo zwar nicht geworden, befand sich seitdem jedoch auf dem besten Weg, die optimalste Carrie Bradshawfür ihren Mr Big zu werden. Seither betrachtete sie alles, was gleichzeitig mit ihr die Luft einatmete, als Konkurrenz.
    »Können Sie sich vorstellen, was für einen finanziellen Schaden Sie mit Ihrer Schlampigkeit verursacht haben?«
    Das konnte sie.
    Und es war allein ihre Schuld. Nach Célines Tod hätte sie sich freinehmen sollen, statt zu versuchen, sich mit der Arbeit abzulenken. Zeile um Zeile für die Dokumente zusammenzuklauben und Terminen nachzuhetzen, während ihr Verstand zwischen polizeilichen Befragungen und den Vorbereitungen für die Beerdigung hin und her gezerrt wurde.
    »Wollen Sie denn gar nichts zu dem Vorfall sagen?« Seine Entrüstung vibrierte noch irgendwo unter der Decke, da beeilte sich Adrianna, in seinem Solo mitzuwirken: »Sie kann es doch nicht mehr ändern. Wollen wir doch versuchen, das Positivste zu sehen: Bestimmt wird es ihr nicht noch einmal passieren.«
    »Nun, ändern kann sie daran in der Tat nichts mehr. Ihr Verhalten ist in der letzten Zeit einfach unzumutbar. Sie versäumt wichtige Termine, ist unkonzentriert und nachlässig.«
    Leah schlug den Ordner zu, der den Druck ihrer Hand mit einem leisen Klicken quittierte. Ein unvorsichtiges Geräusch, das Mr Big dazu brachte, ihr seinen ungeteilten Zorn zu widmen: »Ihrer persönlichen Umstände wegen habe ich bis jetzt bereitwillig ein Auge zugedrückt, aber so kann es unmöglich weitergehen. Sehen Sie zu, dass Sie sich endlich zusammenreißen und Ihre Arbeit vernünftig erledigen.«
    »Das werde ich.«
    »Das will ich sehr hoffen.« Seine Kiefer mahlten. »Die Sitzung der Verhandlungskommission zum Fall des Uniklinikums wurde auf den vierten Dezember verschoben. Ich kann Ihnen nur raten, bis dahin mit den Unterlagen fertig zu sein. Vielleicht kann der Termindruck Sie dazu veranlassen, wieder unter uns zu weilen.«
    Der Teppich pufferte seine Schritte ab, doch Leah hatte das Gefühl, jeder Tritt seiner polierten Schuhe würde mit einem dumpfen Schmerz in ihrem Kopf widerhallen. Sie drückte die Finger gegen die Schläfen.
    »Ist das nicht die bestmöglichste Gelegenheit, dein Arbeitsstundendefizit auszugleichen?«, blies Adrianna zum Fortissimo ihrer eigenen Komposition. »Du hast bestimmt schon Gerüchte über die Fusion gehört. Es werden sicherlichst einige Arbeitsplätze verloren gehen. An deiner Stelle würde ich nicht mit Patzern glänzen wollen.«
    »Danke für die Erinnerung.« Sie wandte sich ihrem Computer zu, als ihr der Hörer auf dem Tisch auffiel. Hatte sie das Gespräch weggedrückt? Oder nur das Telefon aus der Hand gelegt? Verdammt! Sie griff nach dem Apparat, presste den Hörer ans Ohr und hauchte ein verstörtes »Kay?« in die Stille.
    Einige Herzschläge lang kam nichts. Natürlich hatte er schon längst aufgelegt …
    »Ich bin da.«
    Seine Stimme. Worte wie mit Aquarellfarbe gemalt, fließend, zart, mit weichen Übergängen zwischen den einzelnen Tönen. War es das, was sie dazu verleitete, alles zu vergessen? Sich selbst freizulassen?
    »Können wir uns sehen?« Die Frage erschreckte sie selbst. »Ich muss Ihnen wirklich alles erklären.«
    Eine Pause.
    »Nicht nötig. Ich meine … kümmere dich ruhig um deine Unterlagen für die … Dingskommission. Alles Gute!«
    Aufgelegt. Leah ließ das Telefon in ihren Schoß sinken. »Sie werden von meinem Anwalt hören«, beendete sie es für ihn. »Dummerchen. Was hast du auch anderes erwartet?«

10
    Kay stellte fest, dass es nur drei Dinge gab, vor denen er sich fürchtete: Frauen auf Sky-Heels, Elinors Weihnachtsgeschenke und seine Empfindungen für Leah Winter. Die Existenz der ersten beiden hatte wohl etwas mit der Komplexität des Universums und Einstein zu tun. Das dritte konnte er sich nicht erklären. Diese Gefühle. Die sich nicht mit seiner Spiegelreflexkamera einfrieren ließen, um später den letzten Schliff im Photoshop zu erhalten. Er wusste nicht einmal genau, was sie in ihm auslösten, diese …
    Toll, du hast tatsächlich » Gefühle « gesagt und es auch so gemeint.
    Klares Denken war das nicht unbedingt. Jedenfalls nicht, sobald in seinem Kopf

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