Im Visier des Todes
Nathalie nicht gefunden, wonach er suchte, und brauchte ein anderes Druckmittel.
»Leah, verdammt noch mal, lass es sein! Bevor noch Schlimmeres passiert.«
»Schlimmeres? Kay, wach auf! Wenn der Mörder aus deiner näheren Umgebung kommt, sind wir niemals sicher. Niemand ist es. Es wird weiter passieren, immer wieder. Wir müssen es beenden.«
Sie standen an einer Ampel. Das Grün blendete sie in der Nacht. Hinter ihnen hupte es.
»Egal, was ich sage, ich werde dich nicht davon abhalten weiterzumachen, oder?«
Nicht, wenn es um ein entführtes Kind ging.
Aber wo wollte sie nach diesem Kind suchen? Wenn ihre Erinnerungen versagten. Wenn sie vor ihnen flüchtete.
Der staubige Betonboden, der Geruch …
Wonach? Nach verbranntem Holz? Parfüm? Etwas hatte in dem fremden Atem gelegen. Dazu diese Worte. Zeig mir, dass du es fühlst …
Noch einmal marterte sie ihren Verstand, suchte nach den Einzelheiten und konnte den Erinnerungen, die zwischen Träumen und Realität schwankten, nicht trauen.
Der Mustang parkte vor ihrem Haus. Der Motor war ausgeschaltet.
Sie saßen nebeneinander. Und doch jeder für sich.
»So still?« Ihre Stimme zitterte.
»Ich musste nachdenken.«
»Worüber?«
»Über uns.«
Sie schluckte. Ihre Stimme gehorchte ihr immer noch nicht. »Ich habe das Gefühl, dass es mir nicht gefallen würde.«
Er beugte sich zu ihr. Sie schloss die Lider, spürte, wie seine Lippen die ihren streiften. Ein Hauch einer Berührung. Sie fühlte ihn nur wenige Millimeter von ihr entfernt, wartete …
Aber es war vorbei.
»Du musst gehen, nehme ich an«, flüsterte er.
»Ja.« Sie seufzte und schaute zum Haus, das wie ein schwarzer Brocken aus der Dunkelheit ragte. Kein Schattenriss am Küchenfenster. Das Licht am Carport des Nachbarn war an. »Und nach meiner Mutter sehen. Sie hat sich wieder eingeschlossen. Ich mache mir Sorgen um sie. Ich glaube, du hast recht, sie braucht Hilfe, die ich ihr nicht geben kann.«
»Du musst mir nichts erklären.«
»Okay.« Sie versuchte zu lächeln. »Bis dann.«
»Ja. Mach’s gut.«
In seinen Augen lag Abschied.
23
Wer hasste Montage nicht? Dieser war dabei, alle Rekorde zu brechen. Die Armbanduhr, die eh ab und zu die Frechheit besaß, der restlichen Welt hinterherzuhinken, bescheinigte Leah hartnäckig, dass es knapp werden könnte. Sie stieg aus dem Bus und lief los, fluchend über die neuen Pumps, in die sie sich, passend zu ihrem Kostüm, gezwängt hatte, und über die Schlüssel des Fiats, die weiterhin unauffindbar waren. Dabei hätte sie den Wagen heute noch besser als sonst gebrauchen können, da sie zu spät aus dem Haus gegangen und ihre Bahn wegen eines Defekts auf halber Strecke stehen geblieben war. Vor lauter Aussichtslosigkeit hatte sie sogar Kay angerufen, in der Hoffnung, er würde sich vielleicht erbarmen und spontan den Chauffeur spielen. Doch unter seiner Nummer meldete sich nur die Mailbox. Und die Pumps drückten wirklich erbärmlich.
Endlich erreichte sie den Haupteingang des Krankenhauses und stürzte in das Vestibül – eine noch wackeligere Angelegenheit auf dem glatten Boden. Sollte das Russische Staatsballett irgendwann » Schwanensee « mit betrunkenem Geflügel aufführen, würde sie ihr Bestes in der ersten Reihe geben. In einem Spiegel erblickte sie ihr rotes Gesicht und das wirre Haar. Obwohl die Wanduhr des Krankenhauses behauptete, es sei noch knapper, als sie gedacht hatte, huschte sie in die Toilette, spritzte sich Wasser ins Gesicht und versuchte, ihre Haare etwas zu glätten.
Der Aufzug ignorierte ihr Trommeln gegen den Rufknopf und kam erst, als es ihm passte. Am Konferenzsaal angelangt, zupfte sie ihre Kleidung zurecht und trat ein; die Wasserflecken auf dem Revers ihrer Kostümjacke bemerkte sie erst danach. Ihre Kollegen, die zur Verhandlungskommission gehörten, saßen bereits auf ihren Plätzen an dem länglichen Tisch, der sich durch die Mitte des Raums zog. Auf der anderen Seite hatten sich die Vertreter des Krankenhauses versammelt: der Geschäftsführer, der Medizin- und Kaufmanagerkontroller und ein Oberarzt, der für diese Sitzung eingeladen worden war, um einige medizinische Prozesse genauer zu erläutern. Der Beamer lief bereits und warf das Logo des Krankenhauses auf die Leinwand.
Leah nahm Platz neben Adrianna, die ihr ein dünnes Lächeln schenkte. »Verschlafen? Mr Big wird gar nicht erfreut sein, davon zu erfahren. Und das, wo Gerüchte über die Fusion und die Stellenkürzungen am lautesten
Weitere Kostenlose Bücher