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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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sie einen kleinen Sprint zur Haltestelle einlegte.
    Einfach wunderbar. Sobald Thessa sie anrief, sprang sie. Und warum rief Thessa ausgerechnet bei ihr an? Sie war doch nicht ihre Seelsorgerin.
    Im Flur schob sie ihre Füße in die Turnschuhe, zerrte ihren Trenchcoat aus der Garderobe und zog sich an, ehe sie nach oben eilte und der verschlossenen Tür mitteilte, sie werde bald zurück sein.
    Die Eingangstür mit dem inzwischen schon fast vertrauten » Fuck « stand offen. Sobald Leah über die Schwelle trat, vernahm sie ein Flennen, das im Treppenhaus echote.
    »Thessa? Ich bin’s!«
    Für einen Sekundenbruchteil hörte das Wimmern auf, setzte sich jedoch gleich darauf monoton fort, als hätte Thessa weder die Kraft zu weinen noch damit aufzuhören.
    Auf dem letzten Treppenabsatz machte Leah halt.
    Thessa kauerte neben dem Geländer, drückte das tränennasse Gesicht zwischen die Stäbe, das unförmig und aufgedunsen wirkte. Mit dem verschmierten Make-up und einem zur Hälfte herabhängenden falschen Wimpernstreifen. Kein Gel – Blut im verklebten Pixie-Cut.
    Leah verhedderte sich in der Tasche ihres Trenchcoats, als sie nach dem Handy suchte, zerrte es hervor und rief einen Krankenwagen. Sobald die Zentrale versprochen hatte, gleich jemanden zu schicken, ging sie vor der jungen Frau in die Hocke. Zumindest das Blut schien nicht von ihr zu stammen, sichtbare Verletzungen konnte Leah nicht feststellen. »Wo ist Nathalie? Hast du sie auch angerufen?«
    Mühsam hob Thessa den leeren Blick zu ihr, wandte den Kopf der Wohnung zu, deren Tür offen stand.
    Leah streichelte Thessa über den Rücken. »Der Arzt kommt jeden Moment. Ich bin gleich wieder bei dir, okay? Schaue nur rein, ob deine Freundin auch Hilfe braucht. In Ordnung?«
    Im Flur der Wohnung tastete sie nach dem Lichtschalter, rief Nathalies Namen. Die Deckenlampen gingen an, das Licht spiegelte sich in den glänzenden Fliesen, auf denen blutige Fußabdrücke matte Inseln hinterlassen hatten.
    »Nathalie?« Sie hatte den Polizeinotruf eingetippt, nur auf die letzte Taste zu drücken und die Nummer zu wählen, zögerte sie noch.
    Die Stehlampe war umgekippt. Durch den zerborstenen Lampenschirm leuchtete grell die Glühbirne. Der Fernseher zeigte das verdunkelte Standbild einer Szene aus Tinkerbell .
    Nathalie. Die lange Mähne mit den sanften Föhnwellen umhüllte sie wie ein seidenes Tuch. Weil ich es mir wert bin. Ihre Lippen standen halb offen, ein wenig erstaunt und doch verführerisch. Wie in den besten Zeiten, ich fühle mich schön. Mit Jade. In ihren starren Augen spiegelte sich das Licht der Glühbirne aus der eingebrochenen Stehlampe.
    In der Blutlache lagen Polaroidfotos. Jedes von ihnen zeigte Nathalie, nackt posierend, mit schlecht verborgener Furcht in ihrem Feengesicht. Ein anderes Foto hatte man ihr in die Hand gestopft. Leah zog es aus den schlaffen Fingern, glättete es. Kinderaugen, riesengroß, weit aufgerissen. » Dream Impressions « prangte als Wasserzeichen über die ganze Fläche.
    Leahs Blick flog zu Tinkerbell, die ihr aus dem Fernseher zulächelte. Barbie und die drei Musketiere … Hab ich kürzlich mit meiner Kleinen gesehen.
    In der Dunkelheit, auf dem staubigen Boden, ein kleiner Körper. Gefesselt. Hilflos. Bitte kein Kind!
    Sie drehte das Bild um.
    » Ausweglos « .
    Kays Handschrift.
    » Hate me « .

22
    Der Notarzt erklärte Thessas Zustand mit einer Reihe von Fachausdrücken und nahm sie ins Krankenhaus mit.
    Leah beobachtete die Polizisten, wie sie in der Wohnung ein und aus gingen. Es kam ihr vor, als wären es Dutzende. Zuerst hielt sie sich am Geländer fest, doch bald gaben ihre Beine nach, und sie ließ sich auf der Stufe nieder, auf der Thessa zuletzt gehockt hatte.
    Nathalie. Attie.
    Wann würde das Licht der Stehlampe in den starren Augen erlöschen? Wie schnell würde sich der Geruch von Zigarettenasche und Zitronenparfüm verflüchtigen?
    Ein Mann setzte sich neben sie. »Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
    Ein paar Fragen, ja. Die in ihrem Kopf herumwirbelten, sie zur Verzweiflung brachten. Was hatte Nathalie aus Nick Millas Wohnung entwendet? Wie waren sie überhaupt auf den Gedanken gekommen, dort einzubrechen? Wer hatte nicht an die Handtasche auf der Fensterbank gedacht?
    Sie nickte erschöpft. Also fragte er, und Leah antwortete. Er würde sie aufs Revier mitnehmen, bestimmt, dort stundenlang verhören, bis sie sich in Widersprüche verstrickte. Warum sie Nathalie das Foto aus der Hand

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