Im Visier des Todes
werden.«
»Mein Hund hat den Wecker gefressen.«
»Und anscheinend für das Styling deiner Frisur gesorgt.« Provokativ schob sie Leah ein Papiertaschentuch über den Tisch. »Ich bin mir sicher, dass Mr Big dafür Verständnis aufbringen wird.«
»Natürlich. Ich habe vollstes Vertrauen in ihn.« Leah breitete ihre Unterlagen aus. Ihr Handy vibrierte. Ohne hinzuschauen, schaltete sie das Gerät aus.
Der Geschäftsführer des Krankenhauses ächzte und erhob sich schwerfällig, obwohl seine drahtige Statur nicht auf Schwierigkeiten in der Auseinandersetzung mit der Schwerkraft hindeutete. »Nun. Da wir jetzt vollzählig sind, können wir beginnen.« Er präsentierte die nächste Folie. Seine Finger, mit denen er die Fernbedienung wie einen Zauberstab umklammerte – und Leah unwillkürlich an etwas wie das Harry Potter’sche Avada Kedavra dachte – , erinnerten an Salami-Würstchen. Auch sonst besaß seine Haut einen seltsam geräucherten Ton. »Wie Ihnen bekannt ist, hat unser Krankenhaus im letzten Jahr einige Veränderungen an seinem medizinischen Angebot vorgenommen … «
Er spulte routiniert seinen Part herunter, Zahlen mit Kostenaufstellungen folgten und schließlich die Forderung nach mehr Geld. Leahs Team hielt sich an die festgelegte Verhandlungsstrategie und unterbreitete sein Angebot, das weit unter den Erwartungen des Krankenhauses lag. Letztendlich wurden sich die beiden Seiten schließlich nur in dem Punkt einig, dass es Zeit war zu essen.
In der Kantine überprüfte Leah ihr Handy. Es zeigte fünf Anrufe ohne eine hinterlassene Nummer oder Nachricht. Ihre Mutter? Das machte sie häufig, wenn sie der Meinung war, Leah weiche ihr aus. Wenigstens würde das bedeuten, das große Schweigen wäre vorüber.
Leah rief zu Hause an, doch niemand nahm ab. Schließlich wählte sie Kays Nummer, ohne recht zu wissen, warum. Fast sofort sprang die Mailbox an. Sie seufzte, stellte den Signalton ihres Handys für die Dauer der Pause auf Vibration und reihte sich mit ihrem Tablett in die Schlange vor der Kasse ein. Direkt vor sich erkannte sie den Oberarzt aus den Verhandlungen. Er lächelte ihr zu, als er nach seinem Portemonnaie griff. Sie lächelte zurück. »Ich bin mir sicher, dass wir einen guten Kompromiss erzielen werden«, sagte sie. »Meine Mutter hat früher hier gearbeitet. Sie war Krankenschwester. Und hat mir nur Gutes über Ihr Krankenhaus erzählt.«
»Tatsächlich?« Er machte ihr Platz und wartete mit seinem Tablett abseits, während sie ihr Essen bezahlte. »Es freut mich außerordentlich, dies zu hören.«
»Lucia Winter. Es ist schon einige Jahre her, vermutlich erinnert sich keiner mehr an sie. Sie war auch nur kurz hier. Wenn ich mich nicht irre, auf der neurologischen Station.«
»Lucia Winter.« Das Lächeln wich aus seinem Gesicht. »In der Tat, der Name ist mir noch präsent. Eine bedauerliche Geschichte, falls es mir erlaubt ist, dies zu sagen.«
»Ja. Eine bedauerliche Geschichte.« Leah senkte den Blick auf ihre gebutterten Kartoffeln. »Meine Mutter hat hier angefangen, als wir glaubten, dass es meinem Stiefvater nach dem Schlaganfall wieder besser ging. Wir haben uns geirrt.«
»Die Umstände sind mir nachdrücklich in Erinnerung geblieben. Eine derart schwierige Krankheit eines geliebten Menschen und die Geldsorgen können jeden zu Taten bewegen, die er im Nachhinein bereuen würde.« Er räusperte sich und schaute sich um. »Wir sehen uns nach der Pause im Konferenzsaal. Guten Appetit wünsche ich Ihnen.«
Er ließ sie stehen.
Jemand in der Schlange murrte, die Kassiererin beugte sich vor und berührte Leah am Arm mit der Bitte weiterzugehen.
Sie eilte dem Oberarzt hinterher und nahm Platz an seinem Tisch. »Taten, die er bereuen würde? Was meinen Sie damit?«
»Dies scheint mir nicht der beste Zeitpunkt zu sein, um alte Geschichten auszugraben. Meinen Sie nicht auch, wir sollten uns lieber auf die Verhandlungen konzentrieren?« Er aß seinen Salat mit einer wahren Hingabe, während Leah ihre Kartoffeln hin und her schob und sich kaum traute, auch nur ein einziges Stück in den Mund zu nehmen.
Der Gedanke daran, etwas davon auf der Zunge zu schmecken, rief einen Würgereflex hervor. Obwohl ihr vor Hunger schwindelte – heute früh hatte sie nicht die Zeit gehabt, etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Ihre Mutter war in die Küche heruntergekommen, sagte aber weiterhin kein Wort.
»Erklären Sie mir bitte, was passiert ist.«
Er wiegte den Kopf, legte
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