Im Visier des Todes
verschmierte das Laken mit dem betörend scharfen Geruch ihrer Liebe. Sie drehte sich zu ihm und klopfte auf die leere Seite des Betts. »Kommst du?«
»Mit dir? Immer.«
Sie knurrte. »Kannst du noch?«
Sie warf sich auf den Rücken. Du kleine unersättliche Schlampe. Ihre Scheide brannte noch von seinen Stößen, und doch verlangte sie schon nach mehr.
Ohne sich auszuziehen, glitt er zu ihr unter die Decke. Sie kuschelte sich an ihn. Mit dem Zeigefinger fuhr sie seinen Hals entlang, machte den obersten Knopf seines Hemdes auf, strich über seine Brust – doch er nahm ihre Hand weg und küsste die Innenseite ihres Unterarmes, die Armbeuge, die Handgelenke.
Erschöpft sank sie auf das Kissen. Er deckte sie zu und wischte ihr Haar beiseite. Seine Finger streichelten über ihr Gesicht. Sie spürte die behutsamen Berührungen an ihren Lidern, den Wangen, den Schläfen, stöhnte. Das Zarte spülte das Animalische fort, obwohl die Gedanken an die Wildheit sie schon wieder erregten. Besonders die Vorstellung, dass sie beide im Studio unten kaum zu überhören waren.
Als sie ihn umarmte, sich an ihn drückte und über seine Schulter blickte, lächelte das Clementinenfoto mit Seligkeit zurück.
27
»Zeig mir, dass du noch glaubst.«
Dass der Funke noch nicht erloschen ist, dass der Geist stärker denn je kämpft. Oder sind alle Kämpfe ausgetragen? Alle Schlachten verloren? Was muss noch passieren, damit die Gerechtigkeit triumphiert? Damit die Verführer sich geschlagen geben und die vom falschen Glanz Verblendeten erwachen?
Doch immer wieder entkommen die Schuldigen. Egal, wie fest diese Hände die Schlinge zuziehen. Immer wieder verlieren sich die Verblendeten im Sündenpfuhl der Welt. Egal, wie oft man ihnen den rechten Weg weist.
Hat es noch einen Sinn zu glauben? Gibt es denn noch etwas zu hoffen?
Es weint. Es weint schon wieder. Das kleine Leben im pinkfarbenen Pyjama, dieser » The Beauty and the Beast « -Scheußlichkeit. Widerstandslos gleitet die Bürste durch das dünne Haar. Weine nicht, denn du wirst es verstehen.
»Sag mir deinen Namen.«
Denn Namen machen Leute. Céline – klingt das nicht nach dem Tod, vom Blitzlicht zerrissen? Leah – heißt so nicht die Sanftmut und Liebe, die nur einem gehören kann? Nathalie – hallt darin nicht ein verglühtes Leben, hergegeben, um die Verblendeten zu ermahnen?
Es weint. Bringt ein einziges Wort heraus: »Bine.« Das klingt nach Wiesen. Nach Blumen und Summen. Ganz und gar nicht nach dem, was das Herz sich erhofft.
In den Händen ein Spiegel. Schau! Schau dir dein hübsches Gesichtchen doch an! So voller Unschuld. Voller Mut, in den Abgrund zu spähen. Siehst du sie, diese schwarzen Tiefen, die dich locken, noch näher zu kommen?
Die Nägel sind abgebrochen. Wie oft hat es versucht, sich durch die Tür in die Freiheit zu kratzen?
»Sag mir, dass du nicht fortgehst.«
Der Wind fegt durch die zerbrochenen Fensterscheiben. Ruinen der Seele. Der Schutt der Vergangenheit. Der Ort, an dem einst alles enden sollte – und es doch nicht konnte.
Der Spiegel zittert in den kleinen Händen.
Sanft fährt das Flüstern durch das Haar: »Sag es mir, sag mir, dass du nicht fortgehst.«
Das Wimmern wird lauter.
Die Bürste poltert zu Boden. Eine Ohrfeige reißt das dumme Ding vom Hocker. Der Spiegel zerbricht, als es fällt. Wohin willst du wegkriechen? Wer soll dich finden? Dir ist es nicht bestimmt.
Die Finger packen es beim Haar. Wie kalt ist die Nacht! Wie kalt das Skalpell.
Es schreit.
Schreit und fleht und beteuert. Wie die Mutter, diese blonde Modelschlampe.
Gehnichtfort, gehnichtfo-ort. Doch zu spät. Die Klinge kennt ihre Bestimmung.
»Zeig mir, dass du mich lieb hast.«
Zuerst das Haar, stoppelig kurz. Strähne um Strähne fällt es zu Boden, entstellt dein rosafarbenes Wesen, ein bisschen, als wärst du ein Junge.
28
Sie wachte in völliger Stille auf. Von der Nacht noch träge, hielt sie die Lider geschlossen und tastete mit einer Hand neben sich. Widerstandslos glitten ihre Finger über den Bettbezug. Leah streckte sich, fühlte den Muskelkater in ihren Oberschenkeln und dachte daran, wie sie sich damit an Kays Hüften geklammert hatte. Ihr Schoß schien immer noch die Härte seines Glieds zu spüren. Erneut fuhr sie mit einer Hand über die andere Seite des Betts, suchte nach der Wärme seines Körpers und fand nichts. Sie war allein.
Sie rief seinen Namen, doch die Wohnung antwortete mit Schweigen. Schließlich zwang sie sich aus dem
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