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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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sie ihn von sich stoßen und losrennen konnte.
    Erst in der nächsten U-Bahn-Station wagte sie es, anzuhalten und auf einer Bank zusammenzubrechen. Diese Züge, die Augen … Es schauderte sie.
    Ein bisschen Kay.
    Der Schock legte sich erst, als sie durch ihren Vorort mit den friedlichen Einfamilienhäusern ging. Bis sie an ihre Gartenpforte trat. Alle Fenster ihres Hauses standen weit aufgerissen, die schneeweißen Spitzenvorhänge flatterten im Wind, dass es in den Augen nur so flimmerte. Sie lief die letzten Meter, stolperte über die Stufen zum Vordach und stocherte mit dem Schlüssel im Schlüsselloch. Erst nach einer halben Ewigkeit ging die Tür auf, und Leah stürzte in den Flur. Der eisige Wind schien durch das Haus zu fegen, und sie fror noch mehr als draußen. Mutter? , zitterte es auf ihren Lippen, doch sie traute sich nicht, auch nur einen Ton hervorzubringen.
    Kein Wimmern – ein Kichern. Sie eilte den Stimmen entgegen, die aus dem Wohnzimmer drangen.
    Ein Kichern?
    Ihre Mutter saß mit Thessa auf dem Sofa, beide in dicke Jacken eingemummelt, dampfende Becher in den Händen. Auf dem Couchtisch standen ein alter Schuhkarton und Teelichter, die gegen den Luftzug kämpften. Es roch nach Glühwein, fröhlicher Besinnlichkeit aus Kindertagen und ein wenig nach Tränen, die sich bei diesem Anblick in ihren Augen sammelten.
    »Ich dachte, es wäre etwas passiert«, flüsterte sie atemlos.
    Die Mutter drehte sich um und bettete ihr Kinn auf die Sofalehne. »Ach schau, meine verschollene Tochter ist wieder aufgetaucht.«
    Thessa kicherte wieder. »Deine Mom hat mir nur gezeigt, wie man köstliche Plätzchen einäschert. Danach mussten wir etwas lüften.«
    »Alles klar.« Leah machte einen Rundgang durch das Haus und schloss die Fenster. Als sie zurückkam, kicherten die beiden Frauen auf dem Sofa immer noch, die Köpfe zusammengesteckt wie kleine Mädchen. Die Mutter hatte ein Foto aus dem Karton gezogen und hielt es hoch. »Da, sieh her, unsere Leah. Ist sie nicht hinreißend? Diese Pose, dieses Lächeln, mal ehrlich, Céline hatte nicht einmal die Hälfte von diesem Charme drauf.«
    »Mama!« Die Aufnahme zeigte sie in der Badewanne, wie sie den Schaum von ihrer Hand dem Fotografen entgegenblies. Nackt. Im Alter von etwa drei Jahren.
    Thessa grinste in ihren Becher. »Entzückend.«
    »Nicht wahr? Hat mein Mann gemacht. Schade, dass du ihn nie kennenlernen wirst. Er hätte dir so viele Tipps geben können. Ach, schau hier! Leah bei ihrer ersten Weihnachtsfeier.«
    »Süß!«
    »Mit ein paar Kollegen von der Krankenkasse. Das hat allerdings Céline geknipst. Die Mädchen sind zusammen dorthin gegangen. Aber das siehst du ja selbst, das Bild ist so furchtbar verwackelt. Mal ehrlich, sogar ich hätte das besser hinbekommen. Aber was soll’s!« Die Mutter hob ihren Becher. »Auf Céli!«
    Thessa stimmte mit ein. »Ja, auf Céli! Na komm schon Leah, mach mit!«
    »Ich glaube, für mich ist es noch zu früh, um Glühwein zu trinken.«
    Die Mutter zuckte die Schultern. »Eine kleine Spielverderberin warst du schon immer. Also: auf Céli und ihre High Heels. Könnt ihr euch das vorstellen? Gerade mal dreizehn Jahre alt, Beinchen wie ein Storch, und schon auf Absätzen stöckeln. Hauptsache Drama, Baby.«
    Thessa lachte auf. »Dafür war sie bei den Fotoshootings unschlagbar. Zack!« Ein Fingerschnippen. »Und zu hundert Prozent im Einsatz. Zack, zack, zack! Bei jedem Schnappschuss eine andere. Zack, zack!«
    »Aber ihr Grinsen!« Die Mutter verdrehte die Augen, sodass fast nur noch das Weiße zu sehen war. »Wie nach meinem entgleisten Botox-Versuch. Ja, so war sie. Die kleine Giftspritze.«
    Thessa nahm einen großen Schluck und fuchtelte mit erhobenem Zeigefinger herum. »Hat’s aber nicht gemacht.«
    »Was?«, hauchte Leah. Sie ließ sich vor dem Couchtisch nieder und sammelte die verstreuten Fotos in den Karton. Auf keinem von ihnen war Céline.
    »Die Lippen wie bei der Jolie. Sie klaute gern, wie eine Kleptomanin, nur keine Sachen, sondern Mimik, Blicke, Nagelpflege.« Thessa streckte ihre Hand mit gespreizten Fingern aus.
    »Ihr ist immer alles in den Schoß gefallen.« Die Mutter schnaubte. »Und das mit ihrer blassen Haut. Und diese Augen. Eiskalt. Als die mir im Kreißsaal das Baby in den Arm gedrückt haben, habe ich geschrien. Dieses Wesen konnte unmöglich aus mir hervorgekrochen sein. Ich habe geschrien, geschrien, geschrien … Wo warst du eigentlich heute Nacht, Leah?«
    Leah drückte den Deckel

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