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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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hindurch.
    Noch kurz zuvor war ihm gar nicht bewusst gewesen, wie groß seine Galerie eigentlich war, wie leicht man sich in der Menge verlor und wie laut sein Herz in die sich ausdehnende Leere pochte.
    Leah machte einen Schritt zur Seite, um einem Herrn auszuweichen, der wie ein Donaudampfer durch das Gästemeer pflügte. Ein Pärchen drängte sie weiter zu einer Wand, bis Leah neben einer Fotografie haltmachte. Das Bild, das in ihrem Zimmer die komplette Decke hätte einnehmen können, zeigte eine nackte Frau. Diese saß auf einem kahlen Boden, die Beine angezogen und verschränkt, die Arme um die Knie geschlungen. Den Kopf mit dem kurzen Kraushaar hatte sie zur Brust geneigt. Doch der Fokus lag nicht auf ihrer anmutigen Pose, sondern auf der Gänsehaut, die ihren obsidianschwarzen, ebenmäßigen Körper überzog – ob von den vielen Blicken, welche die Vorbeigehenden ihr zuwarfen?
    »Ach, komm schon.« Leah knetete die Clutch, die Elinor ihr vor dem Abflug besorgt hatte. »Du trägst ein Designerkleid, teure Schuhe und ein Täschchen, in das gerade so deine Kreditkarte passt. Die besten Voraussetzungen, um dich unter diese Herrschaften hier zu mischen.« Ihre leicht feuchten Finger hinterließen Flecken auf dem feinen Material der Tasche. Der Hauch von einem Kleid, der ihren Körper umhüllte, ähnelte einem Luftzug – sie spürte seinen Atem auf der Haut, die Seide rieb über ihre Brustwarzen und trieb sie an die Grenze zwischen Erregung und Scham. Leah fuhr sich über die Arme, schaute hoch zu der Frau auf der Fotografie und schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Was willst du ihm schon sagen? Eure Zukunftsaussichten hat er deutlich genug definiert.«
    Sie griff nach einem Glas Sekt, als eines der Tabletts an ihr vorbeischwebte, und leerte es in einem Zug. Was machte sie hier eigentlich? Eine bemerkenswerte Frage. »Das hättest du dir früher überlegen sollen.
    Aber während der Fahrt zum Flughafen hatte Elinor ihr kaum Zeit für einen klaren Gedanken gelassen, in der Maschine selbst war sie viel zu mitgerissen von den Eindrücken der ersten Klasse gewesen und auf dem Aéroport Paris-Charles-de-Gaulle hatte sie der Gedanke überwältigt, dass sie sich gerade in einem Land befand, in dem sie kein Wort – abgesehen von Bonjour und Perles d’Or – verstand.
    Letzteres verstärkte ihre Erregung, ob sie es wollte oder nicht.
    Nachzudenken, das hatte sie tatsächlich versäumt. Das Übliche also, wenn es um Kay ging. Im Taxi hatte sie dem dunkelhäutigen Fahrer mit Händen und Füßen erklären müssen, dass er ihr zu Ehren nicht unbedingt Michael Schumacher mimen sollte. Nun stand sie in Kays Galerie, irgendwo zwischen Les Champs, Oper und Louvre, und in ihrem Kopf klopfte hartnäckig Allô Paris den Takt , das Lied, das der Taxifahrer mit einem schelmischen Grinsen aufgelegt hatte – ein absolut verrücktes Lied, das klang wie ihre Gedanken.
    Die einzige Wohltat: die Peeptoes von Stuart Weitzmann. Sie sollte dem Mann eine Karte zu Weihnachten schicken.
    Leah erwischte noch ein Glas Sekt und leerte auch dieses mit wenigen Schlucken. Die Luft, parfümiert von unzähligen Düften, schien in ihrer Kehle zu kleben. »Was willst du ihm auch sagen? Hm? › Du hast ein Auf Wiedersehen vergessen. ‹ – › Aber natürlich, ich wollte dich auch nicht wiedersehen. ‹ Ha!« Ihr Fuß wippte auf dem marmorverdächtigen Boden. »Elinor, ich bringe dich um.«
    Noch ein Glas. Der Versuch, sich Mut anzutrinken, zeigte eine enttäuschende Wirkung. Skeptisch beäugte sie eine Platte mit Snacks, die an ihr vorbeigetragen wurde. Ob sie es riskieren sollte, sich Mut anzuessen? Vom Sekt bekam sie jedenfalls nur Schluckauf. Sie hielt den Atem an und zählte bis zehn; bei sechs angelangt, blickte sie in die Augen, deren Farbe an das unheilvolle Meer erinnerte, bei acht blitzte der Gedanke auf, wie dämlich sie mit zusammengekniffenen Lippen aussehen musste, um ihr Hicksen zu unterdrücken, bei zehn …
    »Leah.«
    Sie stieß die angehaltene Luft aus. »Du hast mir nicht Auf Wiedersehen gesagt.« Wieder hielt sie den Atem an – mit dem Nachdenken würde es heute anscheinend nicht mehr klappen.
    Kay schwieg. Sie wollte in seinen Blicken die Zärtlichkeit entdecken, die nur für sie bestimmt war, die sie beide so hoffnungslos verletzlich machte.
    Sie senkte die Lider. »Ich wollte gehen.« Und wollte es nicht, konnte es nicht. Nichts von alldem, was vernünftig schien.
    Er hob seine Hand, als ob er nach ihr greifen wollte, seltsam

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