Im Visier des Todes
Karton an sich, als Elinor ihn ihr energisch gegen den Bauch drückte, und hob den Deckel an. »Schuhe?«
Schuhe. Aus weißem Lackleder, verziert mit einer eleganten Schleife und einer sandgelben Linie bei der Sohle. Ein Anblick, zart und leicht wie Schnee, durch den eine Goldader schimmerte. »Es sind … Schuhe?« Bis jetzt hatte sie sich für resistent genug gehalten, um bei der Betrachtung eines solchen Paares nicht gleich anzufangen zu hecheln.
Aber eben nur bis jetzt.
Elinor beugte sich über den Karton, lächelte den Schuhen zuund flüsterte leise: »Bonjour!« Der Wind trug Leah den Geruch ihres Haarlacks zu. Zum Glück reichte das aus, um sie auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, und sie machte den Deckel zu. »Begrüßen Sie alle Schuhe auf Französisch oder nur diese?«
Elinor lächelte immer noch. »So heißen diese Peeptoes. Bonjour . Sie … verstehen?«
»Nicht wirklich.« Sie kämpfte gegen die Versuchung an, noch einmal in den Karton zu spähen. »Von wem sind sie?«
»Von Stuart Weitzmann natürlich.«
»Ich kenne keinen Stuart Weitzmann. Schon gar nicht einen, der mir Schuhe schenken würde.«
»Nein, nein, das ist der Designer – ach, irgendwie rede ich nur Unsinn – Kay hat die Schuhe für Sie gekauft, begreifen Sie es immer noch nicht? Bonjour! – Er wollte, dass Sie mit ihm nach Paris kommen.«
Paris … Paris klang wund und steckte in ihr wie ein Dorn. Entschieden hielt sie Elinor die Schachtel entgegen. »Ich fürchte, Sie haben sich geirrt. Mag sein, dass er kurz tatsächlich daran gedacht hat … «
»Nein, sagen Sie nichts, bis Sie das hier gesehen haben.« Elinor eilte erneut um den Wagen herum und brachte einen weiteren Karton mit.
»Noch mehr Schuhe?«
»Ein Kleid. Ein absoluter Traum aus weich fließendem Seidenchiffon mit einem Wasserfallausschnitt und einem atemberaubenden Printdruck in Weißer-Tiger-Optik, es würde ausgezeichnet zum dunklen Teint Ihrer Haut passen – ein wahres Kunstwerk von Roberto Cavalli, und bevor Sie fragen … «
»Ich rate einfach mal darauf los: Er ist der Designer.«
»Er hat unter anderem die Spice Girls für ihre Comeback-Tour ausgestattet.« Elinor stapelte die Schachtel mit dem Kleid in Leahs Arme.
»Nicht gerade die beste Referenz.« Leah bemühte sich, die Präsente auf den Armen zu balancieren und in ihren Pumps das Gleichgewicht zu halten. »Was soll ich mit alldem? Ich habe kaum Anlass, Seidenchiffon und das Bonjour zu tragen.«
»Wie wäre es, wenn Sie beides zu Kays Galerieeröffnung heute Abend tragen würden? Sofern Sie nicht gerade etwas Furchtbares mit Ihrem Haar und dem Make-up anstellen, werden Sie mit der Prominenz dort glatt konkurrieren können. Kay wird … «
»Elinor, ich versuche es Ihnen doch schon die ganze Zeit zu erklären: Kay und ich sind nicht mehr zusammen. Und ich renne ihm ganz sicher nicht hinterher.« Sie drückte das Kinn auf den Schuhkarton. »Schon gar nicht auf diesen Absätzen.«
Elinors Blick verlor sich in der Ferne. »Ich hatte gehofft, Sie bringen ihn uns zurück.«
»Er hat vor, in Paris zu bleiben?«
»Ich weiß es nicht. Sein Gesicht, als er heute früh fortging, hatte etwas … Endgültiges an sich. Ich habe Angst um ihn.«
Leah spürte, wie ihre Hände zu zittern begannen. Sie stellte die Kartons auf dem Dach des Autos ab. Die schwarzen Buchstaben der kopierten Artikel flimmerten vor ihren Augen. »Sie glauben doch nicht, dass er sich etwas antut?«
»Was ich glaube, ist, dass er vor sich selbst wegläuft.« Wieder einmal war ihr Akzent stärker geworden. Vielleicht etwas Osteuropäisches? Nervös glättete Elinor ihre platinfarbenen, spitz zulaufenden Strähnen an den Schläfen. »Vor seinen Gefühlen. Oder davor, mit Ihnen glücklich zu sein.«
»Warum?«
»Weil er denkt, dieses Glück nicht verdient zu haben. Was weiß ich! Er ist ein Idiot.« Aus der Tasche ihres Kostüms holte die Managerin ein silbernes Etui und steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Die Flamme des Feuerzeugs zitterte im Wind und ging mehrmals aus, bevor das Ende erglomm. »Es ist eben nicht leicht, das Leben zu genießen, wenn einem der eigene Vater den Tod wünscht.« Elinor hielt Leah das Etui entgegen.
Benommen schüttelte sie den Kopf. Die Gesichtszüge des Obdachlosen kamen ihr in den Sinn – ein wenig Kay … »Was ist passiert?«
Elinor steckte das Zigarettenetui ein und inhalierte den Rauch. »Ich kenne keine Einzelheiten, er hat noch nie mit jemandem darüber
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